Was ist der Montane Yukon Arctic Ultra
Beim Ultra Marathon starten die meisten Teilnehmer*innen zu Fuss, aber auch die Disziplinen Mountainbike und Skilanglauf sind vertreten. Bei den möglichen Distanzen ist die Bandbreite groß: Marathon, 100, 200, 300 und 430 Meilen stehen zur Verfügung. Die beliebteste Streckenlänge ist tatsächlich 430 Meilen. Das sind 692 km von der Hauptstadt des Yukon Territory zur der Ziellinie in Goldgräberstadt Dawson City.
Die Strecke folgt dem Trail des Yukon Quest, dem härtesten Hundeschlittenrennen der Welt. Dabei ist alles geboten, was das Herz eines Winterabenteurers begehrt. Zugefrorene Flüsse und endlos lange Seen, Wälder, Sümpfe und hügelige bis bergige Landschaften. Die Wildnis des Yukon erscheint oft endlos.
Teilnehmer und Sicherheit
Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Der jüngste Teilnehmer ist 24 Jahre alt, der älteste Teilnehmer ist 72. Es sind alle Einkommensschichten und viele Berufsgruppen vertreten. Die Fitness reicht vom erfahrenen Wanderer bis zum Profisportler. Und nicht immer erreichen die Profis das Ziel. Denn bei Temperaturen bis – 50 Grad Celsius und derart langen Strecken, ist es verheerend, wenn man sich die Kräfte nicht vernünftig einteilt.
Damit die Teilnehmer sicher sind, gibt es eine lange Liste an Pflichtausrüstung. Dazu gehören zum Beispiel eine Expeditionsdaunenjacke, ein Schlafsystem für extreme Kälte, Säge, Stirnlampe und Kocher. Für den Transport der Ausrüstung nehmen die Läufer- und Skilangläufer eine Pulka. Die Fatbiker nutzen jeden verfügbaren Platz an ihren Rädern. Eine Mannschaft von Schneemobilfahrern fährt den Trail regelmäßig ab, um nach dem Rechten zu sehen. Für extra Sicherheit sorgen noch die sogenannten SPOT-Geräte. Das sind GPS-Sender, die regelmäßig die Positionen der einzelnen Teilnehmer durchgeben. Dazu kann man mit einem SPOT noch Nachrichten senden. Das geht von einem einfachen „okay“, über ein Hilfesignal bis zu einem echten Notruf. Die SPOTs ermöglichen es zudem Familie, Freunden und Kollegen daheim, das Rennen zu verfolgen. Achtung: Suchtpotenzial! Wer einmal anfängt, einem SPOT-Tracker zu folgen, kann oft nicht mehr damit aufhören.
No risk no fun?
Wetter
Gefahren gibt es viele. Risiko Nummer 1 sind sicher die Auswirkungen der Kälte. Passt man nicht auf, holt man sich schnell eine Erfrierung. Wer sich eine Erfrierung einfängt, für den ist laut Reglement das Rennen beendet. Denn zunächst harmlose Erfrierungen können durch weiterführende Temperaturschwankungen zu einem echten Problem werden. Besonders gefürchtet sind die sogenannten „Overflows“. Hier sammelt sich Wasser über einer Eisschicht und unter einer Schicht Schnee. Nicht immer sind solche Stellen leicht zu erkennen. Mit etwas Glück ist das Wasser nicht tief. Doch es kann durchaus vorkommen, dass man plötzlich bis zur Hüfte im kalten Nass steht. Dann heißt es, Ruhe bewahren und Schritt für Schritt richtig reagieren.
Tiere
Immer wieder machen sich die Athleten Sorgen um Wölfe oder Bären. Letztere halten Winterschlaf und Wölfe sind eher menschenscheu. Taucht ein Elch vor einem auf, ist wesentlich mehr Gefahr im Verzug. Dann ist Zurückhaltung angesagt. Verscheuchen könnte bei einem Elch aggressives Verhalten auslösen und böse Konsequenzen haben.
Wesentlich öfter bereiten den Athleten die körperlichen Strapazen Probleme. Knie, Rücken, Hüfte und Füße leiden wie bei allen Langstrecken-Veranstaltungen. Deshalb ist es wichtig, Warnsignale nicht zu ignorieren. Ein klassisches Beispiel sind Blasen an den Füßen. Wartet man zu lange mit der Problemlösung oder einer Behandlung, werden Blasen schnell so groß, dass nur noch die Aufgabe bleibt.
Belohnung
Der Lohn für all die Mühen? Man erfährt eine beeindruckende Stille. Man kommt an Orte, die andere Menschen niemals sehen werden. Man lernt Leute kennen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und, mit etwas Glück, sorgen Nordlichter nachts für ein unvergessliches Lichterspiel.
Wer also einmal seine Grenzen ausloten will, der hat beim MYAU eine Gelegenheit dazu, denn es gibt keine klassischen Teilnahmekritierien. Wichtig ist, dass man die Kälte mag. Es ist auch gar nicht so entscheiden, dass man ewig lange laufen kann. Aber man sollte sehr lange wandern können und Schlafmangel gut vertragen. Den Rest schafft man mit gezielter Vorbereitung und der richtigen Ausrüstung. Nach dem Event werden wir übrigens noch einen Nachbericht liefern und mit den Athleten sprechen. Bleibt also dran, das dürfte interessant werden!
Erlebnisbericht
Am 18. Februar habe ich den Yukon Arctic Ultra gefinisht. 436 Meilen sind ein langer Weg, besonders wenn man es dabei mit krassen Minustemperaturen zu tun bekommt. Und seit diesem Tag träume ich von nichts anderem mehr: Laufen, laufen, laufen… Uwe Paschke aus Berlin ist erfahrener Langstrecken- und Etappenläufer und wagte sich dieses Jahr an seine bisher größte Herausforderung. 436 Meilen durch das Yukon.
Die Landschaft im Yukon ist faszinierend schön – eine weiße Winterwunderwelt, die sich ständig verändert. Doch das Yukon kann auch unerbittlich sein und verzeiht keine Fehler. Daher ist dieser Lauf auch unglaublich hart. Das wusste ich natürlich, aber dass es so unglaublich hart werden würde, das hat mich überrascht. Ich bin Uwe, 53 Jahre, aus Berlin und ein durchaus erfahrener Läufer. Ich habe in den letzten Jahren ein Dutzend Etappenläufe über 250 km und mehr gemacht. Ich wusste, dass 430 Meilen/700 km etwas ganz Anderes sind. Wobei „ganz anders“ stark untertrieben ist.
Magda, meine Lebensgefährtin, startet mit mir im Team. Wir haben uns vor drei Jahren in der Wüste Jordaniens bei einem Rennen getroffen und wollen nach vielen gemeinsamen Läufen im Sommer heiraten. Unser Plan: Wenn wir diesen Lauf gemeinsam finishen, dann sind wir bereit für die Ehe.
Trotz monatelanger Vorbereitungen bleiben viele konkrete Fragen unbeantwortet und wir starten sehr aufgeregt in unser viertägiges Survival-Training in Braeburn (CA) unmittelbar vor dem Rennen. Wir sind 14 Teilnehmer und lernen alles über Kleidung, Schuhe, Ernährung, Feuer machen, Biwak bauen und vieles mehr. Wir laufen mit der Pulka, wir schwitzen, wir frieren, wir laufen tags und nachts, wir machen Feuer, essen, trinken und übernachten draußen und wir laufen durch einen Fluss, um zu trainieren, was wir tun, wenn wir nachts alleine draußen an einem Overflow einbrechen.
Eine nette Erfahrung: 25 Meter durch knietiefes Wasser bei -25° C laufen und dann barfuß im Schnee umziehen. Alles andere als angenehm. Aber dafür waren wir ja hier. Ich sage am Ende zu Stewart, dem Seminarleiter, dass die Chance ins Ziel zu kommen nun um 300% gestiegen ist und damit bei 50% liegt.
Wir kommen zurück nach Whitehorse (CA) und stürmen sofort los um unsere Ausrüstung zu optimieren. Einige Stunden später und 2000$ ärmer, haben wir neue Schuhe sowie zahlreiche zusätzliche Kleidung und Ausrüstung. Wir fühlen uns besser und trotzdem sind wir sehr aufgeregt, haben Angst und großen Respekt. Heidewitzka, -35° C sind halt einfach schweinekalt.
Tag X.
Leicht verschwitzt drehe ich mich in meinem Bett von einer Seite auf die andere, denn in meinem Traum blicke ich in die „falsche“ Richtung. Im Halbschlaf dringen mir Roberts Worte aus dem Briefing in den Kopf: „Wenn Ihr auf der Suche nach einem Biwakplatz seid, dann stellte die Pulka in Eure Laufrichtung. Es ist schon vorgekommen, dass Läufer nach wenigen Stunden Schlaf desorientiert zurückgelaufen sind, weil der Schlitten falschrum stand und da draußen allein im Yukon erkennt man nicht, wohin der Trail führt.“
Einen Tag nach dem eindrucksvollen Start des Yukon Quest 1000 Meilen Schlittenhunderennens starten wir auf dessen Spuren um 10:30 Uhr morgens bei herrlichem Sonnenschein. Es ist schwer, das richtige Tempo zu finden, denn die Marathonis stürmen los und Du weißt bei niemandem da vorne, ob er oder sie 100 Meilen, 200, 300 oder 430 vor sich hat.
Nach neun Stunden erreichen wir den ersten Kontrollpunkt in Rivendell bei Kilometer 42. Es ist längst finstere Nacht. Hier stehen ein paar Zelte und Hütten: Zutritt verboten, du darfst die Thermosflasche reinreichen und Dir im Schnee Dein Trekkingfood zubereiten, dich an ein kleines Feuer hocken und anfangen zu frieren. Ich treffe Robert, den Organisator, er lacht mich an und sagt: „Das ist der Yukon hier.“ Und ich denke: „Scheiße, ist das hart. Scheiße ist das kalt.“
Also schnell weiter laufen. Um Mitternacht beschließen wir zu biwakieren. Zelt aufbauen, Matten aufblasen, Schlafsack raus, wir rein. Das ist alles kein wirklicher Spaß und trotz Training fällt uns alles schwer. Im riesigen Schlafsack will es einfach nicht warm werden – draußen sind es -41° C.
Nach vier Stunden vergeblicher Schlafversuche geht es weiter. Jetzt ist es kuschelig im Schlafsack und draußen ist es immer noch so lausig kalt und dunkel. Alles muss jetzt schnell gehen. Pulka packen und zügig in Bewegung kommen. Nach zehn Minuten wird mir warm, ich beginne zu schwitzen und mir fallen Stewarts Worte ein: „If you begin to sweat, you can´t ignore that.“ Also Schlittengurt abnehmen, Jacke aus, verstauen und weiter.
Um 7 Uhr wird es langsam hell, um 8 Uhr müssen wir etwas essen. Die Benzinkocher ausgepackt und angeworfen. Eine mühselige und stinkige Prozedur, Schnee schmelzen wird noch mühseliger und das Warten, bis das Travellunch fertig ist, lässt die Füße immer kälter werden.
Essen reinschaufeln – das tut gut. Es kommt uns wie der pure Luxus vor. Das Spiel beginnt von Neuem: Alles einpacken, schnell raus aus der Expeditionsjacke. Wow, ist das wieder kalt, und weiter geht es, nach wenigen Minuten laufen wird es wärmer.
Meine neuen Schuhe quälen mich immer mehr. Klar, weiß doch jeder Läufer: Niemals mit neuen Schuhen einen Wettkampf laufen. Aber was blieb mir übrig? Meine Laufschuhe waren zu klein und nicht ausreichend isoliert. Und außerdem nur drei Nummern größer als die Füße. Jetzt habe ich Wanderstiefel, fünf Nummern größer, Winterproof, Waterproof. Meine Füße sind warm, aber der Schaft bereitet mir bei jedem Schritt Schmerzen. „You can´t ignore that.“ Also wieder anhalten. Der Kabelbinder kommt zum Einsatz. Mist, der bricht bei den Temperaturen einfach durch. Nach diversen Versuchen klappt die Notlösung. Dann schmerzt die andere Seite.
Ungeplant.
Wir sind auf dem Weg zu Kontrollpunkt 2 und haben heute ca. 50 km vor uns. Wir haben uns ziemlich weit hinten eingeordnet. Die beiden Läufer neben uns haben seit zwölf Stunden nichts getrunken, weil die Trinkblasen komplett eingefroren sind und sie keine Lust auf Schnee Schmelzen haben. Nach 14 Stunden und einigen knackigen Anstiegen erreichen wir Dog Grave Lake. 500 m vorher teilt Magda mir mit, dass sie starke Schmerzen hat, eine Blasenentzündung, und dass sie aufgeben muss. Sie liegt im Erste-Hilfe-Zelt und ist todunglücklich. Sie wird mit einem Ski-Doo evakuiert. Ich sitze draußen am Feuer, esse meinen Tütenfraß, baue das Zelt auf und bin irgendwie nicht ganz bei mir.
Nach einer erneut sehr kalten Nacht und fünf Stunden Schlaf geht es 56 km weiter nach Braeburn, dem 100 Meilen Ziel. Ich muss die Schuhe wechseln, denn meine neuen bringen mich um.
Nach 5 km treffe ich auf Gillian. Sie liegt im Schnee, ist völlig erschöpft. Ich spreche Sie an. Sie ist müde und hungrig. Sie lehnt meine Hilfe ab und schleppt sich weiter. 10 km weiter treffe ich Glen und Spencer auf den Ski-Doos. Wie immer halten Sie an und fragen, wie es Dir geht, ob Du warme Hände hast. Mit mir ist alles ok, aber ich schicke Sie zu Gillian.
Den ganzen Tag habe ich überlegt, ob ich nun weiter mache oder abbrechen soll ohne meinen Teampartner. So war das nicht geplant. Ich wusste, Magda will, dass ich weiter mache und es versuche. In Braeburn endlich das erste Mal wieder richtig aufwärmen. Ich warte auf den legendären Riesen-Burger und schaue derweil auf die Tafel an der Wand: Hugh Neff, Ankunft 100 Meilen nach 11 h – mit 14 Hunden. Matt, ein anderer Starter, kommt in den warmen Raum und wird gleich von den Ärzten unter Protest aussortiert: ernster Frostbite an den Händen.
Ich sortiere meine Ausrüstung und trenne mich von Dingen, die nicht funktionieren. Meine Wurst- und Käsehappen sind nicht zu gebrauchen, weil Sie zu riesigen Klumpen gefrieren, die ich nicht im Handschuh antauen kann. Also weg damit. Gut, dass eine Säge zur Pflichtausrüstung gehört. Ich säge von jedem Schuh den halben Stiefelschaft ab in der Hoffnung, dass das die Probleme beseitigt, und genieße dann das warme Bett.
Routine.
Ich schlafe sechs Stunden und bekomme morgens ein riesiges Omelette. Ich treffe Robert wieder und frage nach der nächsten Cut-Off-Zeit: Carmacks in 44 h. Ich mache mich sofort auf den Weg. Anpassungsschwierigkeiten, Schuhe, Magdas Ausfall. Das alles hat viel Zeit gekostet. Ich bin zu langsam unterwegs. Heute sind es 71 km nach Ken Lake. Ich muss traben, viele Seen, überwältigende Landschaft, Hunger – „You can´t ignore that.“ – Riegel reinstopfen, jede halbe Stunde Trinken, Anziehen, Ausziehen, zu warm, zu kalt, sechs Paar Handschuhe rotieren, ohne permanenten Einsatz der Heatpads geht es nicht. Nach 13 h komme ich in Ken Lake an.
Das winzige Zelt ist voller Leute und 100 Klamotten hängen überall zum Trocknen rum. Es gibt zwei Scheiben Brot, eine heiße Suppe und eine Orange. Ich liebe all diese warmherzigen Volunteers, die sich liebevoll um uns kümmern.
Nach der Suppe muss ich eine Stunde meine Füße versorgen. Riesige Blasen müssen aufgestochen und getrocknet werden. Die Füße sehen aus wie nach 100 h Badewanne – ist halt kein Wüstenklima hier.
Ich schlafe draußen vier Stunden – ohne Zelt. Mit Zelt ist es genauso kalt, aber ich spare mir das Auf- und Abbauen. Aufstehen, Essen, Füße tapen und los geht es. 56 km nach Carmacks. Ich muss mich beeilen und renne los. Vier Stunden vor Cut Off erreiche ich Carmacks und wir werden dort in einer Turnhalle herzlich empfangen und versorgt. Ich bin zu schlapp für die Dusche.
Ich schaue in den Spiegel und sehe 20 Jahre älter aus. Ich muss mir das Gesicht tapen, damit die Tränensäcke nicht einfrieren. Ich überlege, ob ich nach 300 Meilen nicht besser aufhören soll. 6 Stunden Schlaf.
Auf nach McCabe – 63 km. Bergauf, bergab. Ein weißes Wintermärchen. Yukon Crossing. Gefrorenes Packeis, anstrengend mit der 30 kg Pulka, die ständig zieht und schiebt. Und dieses blöde McCabe kommt und kommt nicht. Kein Schild, kein Hinweis, keine Ahnung wie weit es noch ist. Da hat Jemand einen Hinweis in den Schnee geschrieben: McCabe 8 km. Ach Du Kacke, denke ich, dass sind ja nochmal 1,5 bis 2 Stunden. Ich renne und komme erschöpft in einer kleinen Garage an. 5 Leute schlafen, einige essen, manche kommen, manche gehen. Essen, Fußpflege, Pennen. Weiter.
Pelly Crossing will nicht kommen. Der Zeitdruck ist etwas gewichen. Ein Schwarzbär taucht vor mir auf und passiert in 50 Metern Entfernung meinen Weg. Nein, es war keine Halluzination und kein Wolf und kein Hase. Der Brocken war größer als ich und ich konnte ihn auf freier Lichtung lange genug sehen. Da kommt mir etwas später jemand entgegengerannt. Meine Magda! Wir lassen ein paar Freudentränen auf unserer Haut gefrieren. Sie hat sich mit Antibiotika erholt und ist nun Helferin. Sie erzählt mir, wie viele Läufer schon ausgeschieden sind und Marcelo gibt gerade auf, weil er als letzter Läufer immer wieder ein paar Wölfe hinter sich entdeckt.
Magda begleitet mich am nächsten Morgen nach Pelly Farm. Die 53 km fallen mir sehr schwer. Es gab 15 cm Neuschnee, wodurch sich die Pulka viel schwerer zieht und dann hat da irgendein Blödmann gewaltige Hügel in den Weg gestellt. Erschöpfung, Schlafmangel und Hunger sind nun meine ständigen Begleiter. Schlecht gelaunt sehe ich das Schild: „You made it“ und fluche, dass diese Farm wahrscheinlich 15 Mio. Hektar groß ist. Ich sollte Recht behalten. Gefühlte 3 km später kommen wir endlich am Eingang der uralten Farm an und die Herzlichkeit der Familie, der warme Tee und die fantastische Bison-Lasagne bereiten mir schnell gute Laune. Acht Stunden Pflichtpause! Freude. Warmes Bett, morgens frische Pancakes und zum Abschied ein Sandwich. Schön, dass es solche Menschen wie Sue und ihre Familie gibt.
Beißen.
Nun wird es nochmal hart. Ja, jetzt will ich das Ding finishen, aber: bis Scroogie Creek sind es 110 km und danach kommt Dawson mit nochmal 160 km. Die längsten Etappen. Wie immer: Das Beste kommt zum Schluss. Scott, Jesse, Jon, Tom und ich bestreiten diese letzten 270 km gemeinsam, wobei plötzlich immer mal wieder einer von uns auf seiner Pulka liegt oder neben dem Trail, um noch ein paar Minuten oder Stunden Schlaf nachzuholen. Es geht einfach nicht anders. Die Augen fallen beim Laufen immer wieder zu und wir torkeln mehr als das wir laufen.
Wir laufen in zwei Etappen nach Scroogie, übernachten in der winzigen Hütte gemeinsam und machen uns auf nach Dawson. Statt meiner geplanten 60/60/40 km mit zwei Übernachtungen werden es in der Gruppendynamik zweimal 80 km mit einer Übernachtung und der Überquerung von zwei über 1000 Meter hohen Bergen. Insbesondere der King Solomon Dome mit 1300 m verlangt einem bei dem dreistündigen Anstieg noch einmal alles ab. Nun laufe ich den anderen hinterher, denn ich habe meinen Wecker nicht gehört und einfach mal 3 Stunden verschlafen. Egal, bei diesem Rennen ist tatsächlich Ankommen das Ziel und ich lache über den Spruch meines Laufkumpels: „Das Ziel ist das Ziel. Alles andere ist Esoterik.“
Nach den 18 Stunden nonstop Laufen vom Vortag bin ich fest entschlossen, an diesem Tag zu finishen und die letzten 80 km ebenfalls in einem Stück durchzulaufen.
Der Aufstieg zum King Solomon schafft mich. Als ich endlich oben angekommen bin habe ich eine fantastische Rundumsicht und ein wunderschöner Sonnenuntergang zaubert ein nie zuvor gesehenes Farbenmeer über den Horizont.
Es geht an den Abstieg. Dunkelheit und zunehmende Kälte setzen mir zu. Die letzten 15 km nach Dawson werden endlos, aber ein großartiges grünviolettes Farbenspiel am Himmel baut mich auf. Mein erstes Polarlicht. Großartig.
Magda kommt mir entgegen. Die Freude ist riesig. „Wie weit noch?“ frage ich. „ca. eine Stunde.“ Es werden zwei endlose Stunden und wie immer kurz vor dem Ziel, schaltet der Körper langsam ab und Erschöpfung wird das alles dominierende Gefühl.
Als Robert mir um 2 Uhr morgens die riesige und schöne Medaille umhängt und mich umarmt bin ich unendlich glücklich. Zusätzlich erhalte ich von den Volunteers die „Red Lantern“ für den letzten Finisher. Ein alter Brauch vom Yukon Quest und nie zuvor war ich so glücklich, Letzter geworden zu sein. 51 Starter haben sich auf den langen Distanzen versucht und nur 16 sind ins Ziel gekommen. Frostbite, Unterkühlung, Erschöpfung und Verletzungen haben das Läuferfeld sukzessive verkleinert.
Das war das härteste, kälteste und längste Rennen und das größte und schönste Abenteuer meines Lebens.
Magda hat mit dem Yukon eine Rechnung offen und will es in zwei Jahren erneut versuchen. Ich werde Sie begleiten – im Wohnmobil als Supporter. Ich habe 8 kg und viel Muskelmasse verloren. Knapp vier Wochen später fühle ich mich immer noch recht schlapp und brauche noch einige Wochen oder Monate Regeneration. Geheiratet wird übrigens trotzdem. Und die Flitterwochen möchten wir auf dem GR 20 auf Korsika verbringen.