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Hike & Fly – Ausflug ins Reich der Adler

Inhaltsverzeichnis

Hike&Fly bezeichnet eine zweiteilige Art von Bergsport. Beim Hike&Fly wird ein Berg zu Fuß erklommen, um anschließend mit dem mitgeführten Gleitschirm „abzusteigen“. Die Mühe eines Abstiegs zu Fuß spart man sich so. Neben Hike&Fly gibt es weitere Varianten wie Climb&Fly, bei der statt einer Wanderung der Aufstieg per Klettersteig erfolgt.

Was für ein spannender Aufstieg… und jetzt sind wir endlich am Gipfel angekommen. Und die Aussichte erst! Da macht sich ein wohliges Gefühl in mir breit… mein Blick schweift über die fernen Berge, dann über die näheren. Ihre Gipfel liegen niedriger als unserer, da wir heute einen besonders hohen Berg erklommen haben.

Mein Blick wandert die Berge entlang und schließlich zu unserem Ausgangspunkt im Tal. Dort sind wir heute Morgen gestartet…so weit unten. Dort wartet ein feiner Kaiserschmarrn bei der Einkehr nach – ich muss schlucken – dem Abstieg.

Autsch! Das war ein Dämpfer.

Einen Gipfel besteigen, die Aussicht genießen und einen Happen essen, das wäre perfekt, wenn danach nur nicht immer dieser elendslange Weg zurück ins Tal wäre. Und der Abstieg wirkt irgendwie auch noch doppelt so lang wie der Aufstieg, obwohl er in Wirklichkeit nur halb so lang dauert.

Naja, das ist wohl unumgänglich…oder nicht? Falsch, der Abstieg (zu Fuß) ist nicht unumgänglich! Tatsächlich hatte ich schon vor einigen Jahren mehr als genug von Muskelkater in den Oberschenkeln und schmerzenden Knien. Daher habe ich mich von diesem „Pain“ befreit und habe die Gleitschirmfluglizenz erworben.

Der Grund zu Fliegen ist für uns Alpinisten ein schneller Abstieg, dabei ist das Fliegen noch viel mehr – es bietet sich eine ganz neue Welt, die Berge und die Natur zu erleben! Der wohl beliebteste und schönste Weg, die Berge aus der Luft zu erleben, ist für uns Alpinisten und Bergsteiger der Hike&Fly. Ein Erlebnis für alle Sinne.

Der 70 l Rucksack mit dem Gleitschirm sieht schwerer aus, als er ist.
Abbildung 1 Der 70 l Rucksack ist leichter als er aussieht. Foto F. Bendlin.

Der Traum vom Fliegen

„Es ist ein riesiges Privileg, dass ich fliegen darf“, denke ich, während ich so am Gipfel sitze und die Dohlen bewundere, wie sie in wilden Flugmanövern mit dem Wind spielen, der durch das felsige Gelände abgelenkt wird. Menschen träumen beim Blick auf die Vögel wohl schon immer davon zu fliegen.

Seit einem guten Jahrhundert oder etwas mehr ist dieser Traum mehr und mehr zur Realität geworden. Aber erst seit wenigen Jahrzehnten besteht die Möglichkeit, dieses Erlebnis so einfach und doch so nah am Geschehen zu bekommen. Tatsächlich gibt es keine Art und Weise abzuheben, die uns näher am Fluggeschehen sein lässt als das Gleitschirmfliegen!

Es ist schon fast unwirklich einfach mit einem Rucksack auf einen Berg zu laufen, zu fliegen und nach der Landung in wenigen Minuten wieder alles im Rucksack verstaut zu haben. Mit einem Flugzeug bräuchte ich einen Hangar, einen Flugplatz, Energie in irgendeiner Form, um abzuheben und Höhe zu erlangen…im Gegensatz dazu war unser Aufwand an diesem Tag an den Startplatz zu kommen heute schon nahezu unverschämt gemütlich…

Eine herbstliche Bergtour

Die Rucksäcke sehen groß aus, sind aber erstaunlich leicht als wir am Morgen am Parkplatz starten (Abbildung 1). Ein gängiger Hike&Fly-Rucksack hat zwischen 30 und 80 Liter Volumen, je nach Art der Flugausrüstung. Das Gewicht hat eine ähnlich große Spanne.

Ein normales Allround Set-Up wiegt zwischen fünf und acht Kilogramm und ist damit leicht genug für nahezu jede gewöhnliche Bergtour.

Das Ziel heute ist die Schwarzhanskarspitze, ein Lechtaler Berg mit einer schönen Wanderung und einer großen Wiesenkuppe am Gipfel. Der 70L Rucksack ist leichter als er aussieht. Ein Unterschied zu einer normalen Wanderung ist kaum zu erahnen, abgesehen von den großen Rucksäcken natürlich. Aber es gibt doch einen kleinen Unterschied:

Unser Grinsen ist besonders breit, da der Wind wenig und die Sonne viel ist – aber mehr dazu später. Wir wandern entlang eines sehr schmalen Pfades durch einen lichten Wald. Als der Weg steiler wird und wir zunehmend an Höhe gewinnen werden die Bäume kleiner und spärlicher und schließlich stehen wir auf einer kleinen Lichtung mit einer Berghütte und einem Brunnen.

Während wir unsere Trinkblasen auffüllen, werfen wir bereits einen Blick in Richtung Gipfel. Die Startwiese ist noch eine gute halbe Stunde entfernt. Schlussetappe – wir setzen unseren Aufstieg durch nun nur noch von Latschen bewachsene Hänge fort. Die letzten Meter zum Gipfel geht es über eine reine und hochliegende Wiese, die in einen felsdurchsetzten Grat übergeht.

Ein schönes Bild unberührter Natur. Es ist um die Mittagszeit und der Himmel ist mittlerweile gespickt mit Schäfchen, was uns wieder das Grinsen ins Gesicht ruft. Warum? Beste Flugbedingungen! Denn jede Schäfchenwolke oder auch Cumulus im Fachjargon ist das Resultat einer Thermik, welche wir nutzen, um mit dem Gleitschirm aufzusteigen. Der Wind kommt schwach aus einer Richtung, passenderweise aus der, in die der Hang der Startwiese abfällt. Optimale Voraussetzungen für einen Start.

Doch als wir am Gipfel ankommen sind erstmal zwei andere Dinge wichtig: Brotzeit und Aussichtgenießen.

Kurze Pause am Gipfel, vor dem Abstieg per Gleitschirm
Abbildung 2 Gipfelpause. Foto F. Bendlin.

Der Abstieg in leicht (Teil 2 von Hike&Fly)

Als wir fertig pausiert haben, nehmen wir unsere Rucksäcke und beginnen das übliche Prozedere, ja, es grenzt schon ein Ritual, welches vor dem zweiten Teil der Hike&Fly-Tour stattfindet.

Erste und wichtigste Frage: Wo kommt der Wind her?

Zweite Frage und nächst wichtige Frage: Ist der Hang gegen die Windrichtung geneigt?

In unserem Fall ist die Situation entspannt, der Wind weht mit einer leichten Brise aus West und Startplätze bietet die Schwarzhanskarspitze in alle Richtungen, wobei der Weststartplatz der breiteste und einfachste ist. Also sucht sich jeder von uns einen Platz, wo man den Gleitschirm frei auslegen kann. Zu den Ritualen der Startvorbereitung gehört, dass ich den Schirm flach auf dem Boden ausbreite.

Dazu brauche ich bei einer Spannweite von zirka zehn Metern und einer Leinenlänge von etwa sieben Metern eine ebenso große, freie Fläche (Abbildung 3).

Vor dem Start werden Gurtzeug, Helm und der Rest der Ausrüstung sorgsam kontrolliert.
Abbildung 3 Ausgelegter Schirm bei der Startvorbereitung Foto F. Bendlin.

Je weniger Felsen und Sträucher, desto besser. Und dann natürlich noch einige Meter Anlauffläche für den Start, wobei die Anlaufstrecke mit zunehmendem Gegenwind kürzer wird. So suche ich mir eine geeignete Stelle, öffne meinen Rucksack und packe alles aus, was ich zum Fliegen brauche:

  • den Gleitschirm
  • das Gurtzeug (so wird der Sessel genannt, in dem man beim Flug sitzt) mit Rettungsschirm
  • einen zertifizierten Sturzhelm
  • ein Paar dicke Lederhandschuhe (zu warm geht hier gar nicht)
  • meine Daunenjacke
  • eine Ski Maske
  • eine Sonnenbrille

Egal wie warm der Sommer ist, bei jedem längeren „leichten Abstieg“ und in größerer Höhe kann es mit dem permanenten Fahrtwind ganz schön kalt werden.

Nachdem ich gut eingepackt bin, Helm an, Sonnenbrille auf, ziehe ich mein Gurtzeug an und verbinde aufmerksam alle Verschlussschnallen in der routinierten Reihenfolge. Bei Wind genügt es den Schirm nur ein wenig auszubreiten. Also gehe ich einige Schritte vor meinen Schirm und zupfe an den obersten Leinen.

Die Luft füllt das Tuch, mein Schirm breitet sich vor mir aus und ich gebe an den Leinen nach, um ihn wieder am Boden abzulegen (Abbildung 4).

Kurzer Check des Schirms
Abbildung 4: Mit Hilfe einer leichten Brise breite ich den Schirm vor dem Start aus, bevor ich ihn nochmals zu Boden lasse. Foto F. Bendlin.

Um auszuschließen, dass sich Knoten zwischen den Leinen gebildet haben, werfe ich einen kontrollierenden Blick auf die Sortierung der Leinen. Zuletzt aktiviere ich die Flugcomputerapp an meinem Smartphone und schalte das Vario, also den kleinen Signalgeber für die Höhenänderung pro Zeit.

Die Anzeige der Flugcomputerapp teilt mir meine Höhe und meine Geschwindigkeit über Grund nach GPS mit, was wichtig ist, um die Windgeschwindigkeit und Richtung in der Luft zu ermitteln. Mein Blick wandert ein letztes Mal Richtung Tal, zu der Grünfläche, die wir vor dem Start heute Morgen als Landewiese gescoutet haben.

Meine Gefährtin ist auch bereit, wir klären kurz ab wer zuerst startet. Dann kurzes Warten auf eine gute Windphase, ein paar Schritte nach vorne und…absolute Freiheit!

Hoch über den schönsten Gipfeln der Alpen

Je nach Hike&Fly kann man einen Abgleiter, Soaring- oder Thermikflug oder sogar Streckenflug machen. Aber egal was für ein Flug es ist, wie hoch, wie lang – ein Flug ist jedes Mal auf’s Neue ein einzigartiges und gewaltiges Erlebnis.

Da es bereits Herbst ist, der Tag aber sehr sonnig, ist durchaus mit guter Thermik zu rechnen, die Tageslänge schließt lediglich einen längeren Streckenflug aus. Nach dem Start spüre ich schon bald bewegte Luft über das Schwanken meines Gurtzeugs – eine Thermik kündigt sich an. Ich bin noch ein wenig geduldig und … schon geht es nach oben.

Ich fliege in einen Kreis, um direkt in der sich nach oben bewegenden Luftmasse zu bleiben. Der Horizont sinkt und mir eröffnet sich eine atemberaubende Perspektive auf den Berg, auf dem wir soeben noch gestanden haben, sowie der Blick auf eine ebenso atemberaubende Bergkulisse.

Als die Thermik schwächer wird fliege ich möglichst entlang der anderen Thermiken, also entlang der Bergkämme in Richtung hohe Lechtaler Berge los.

Hoch über den Berggipfeln beim Hike&Fly-Trip
Abbildung 5 Flug entlang der Heiterwand Foto F. Bendlin.

Ich gleite über das Hahntenjoch und das Bergdorf Gramais hinweg, über schöne Skiberge und wilde Sommerkraxeleien an scharfen Graten. Immer mal wieder verbringe ich einige Zeit kreisend in Thermiken, um stets eine gute Reisehöhe mit genug Sicherheitsabstand zum Turbulenzen verursachenden Gelände zu halten.

Auf halbem Wege begegne ich einem professionellen Begleiter: Ein Adler. Es ist verblüffend wie gezielt Adler die angenehmsten und stärksten Thermiken finden! Ich verbringe ein wenig Zeit mit dem Greifvogel in der Thermik, um ihn zu bestaunen.

Vor der Unterkante der Wolke trete ich meinen Geradeausflug weiter in Richtung Parseierspitz an. Es ist schwierig zu beschreiben und ebenso schwierig zu begreifen, wie überwältigend der Ausblick und die Perspektive auf die hohen Gipfel ist, an denen ich vorbeifliege (Kollage).

Kollage verschiedener Aussichten beim Gleitschirm-Fliegen.
Abbildung 6 Die beiden bekannten Gipfel Hochvogel (Links oben) und Höfats (rechts) im Überflug. (Brandnerschrofen links unten)

Als ich im Inntal angekommen bin biege ich wieder nach Norden ab, es ist nämlich Zeit zurück Richtung Auto zu fliegen.

Ich habe nicht mehr besonders viel Höhe, deshalb halt ich mich am sonnenbeschienenen Gelände auf der Suche nach dem nächsten Aufwind. Dabei fliege ich dicht an der Freispitze Südwestwand und an der Roten Platte vorbei.

Die Freispitze ist das Klettereldorado mit dem besten Fels im Lechtal. An sonst nur durch Kletterei begehbaren Felswände entlangzufliegen ist eines der besonders großen Highlights der Gleitschirmfliegerei. Es ist spannend neues Potential für Erstbegehungen zu erkunden oder mit Skiern befahrbare Linien zu entdecken.

Ich träume noch ein bisschen vom Klettern und bestaune die Wand, als mir auffällt, dass die nächste Thermik auf sich warten lässt. Der Tag ist schon etwas älter und ich fliege weiter am Gelände entlang, kontinuierlich an Höhe verlierend. Eine Landung hier würde einen dreistündigen Fußmarsch zurück in die Zivilisation bedeuten.

Nun ist es angebracht, einen kühlen Kopf zu bewahren und keine unnötigen Fehler zu machen. Und kaum denke ich „das könnte knapp werden“ wird meine Geduld belohnt und ich finde eine stark aber gleichmäßig steigende Luftblase und fange an zu
kreisen.

Während ich mich so an der Bergflanke entlang nach oben saugen lasse, beobachte ich eine kleine Gruppe Gämse in wildem und steilem Gelände umherspringen – ein weiteres, nahezu sinnesüberflutendes Highlight! Ich nutze die Thermik in voller Höhe aus, was es mir ermöglicht in einem Gleitflug zurück zum Parkplatz zu gleiten.

Aussicht auf den Startparkplatz bei einem Flugmanöver kurz vor der Landung.
Abbildung 7: Der Schirm unter mir bei Manövern kurz vor der Landung. Bild: F. Bendlin

Ich bin sehr gespannt, was meine Tourenpartnerin erlebt hat. Sich nach dem Flug über das Erlebte zu unterhalten, ist ein äußerst wichtiger Bestandteil solcher Flüge. Nachdem ich meine Resthöhe über der Landewiese für ein paar Manöver genutzt und aufgebraucht habe (Abbildung 7) setze ich sanft neben meiner Tourenpartnerin auf, die gerade ihren Schirm zusammenlegt.

Wir strahlen uns gegenseitig an und ohne ein Wort auszutauschen wissen wir beide was der andere denkt:

Hike&Fly – that’s the shit!

– Fabian

Falls du mehr über das Fliegen erfahren möchtest, oder selbst mal mitfliegen willst, dann erfährst du mehr unter www.adventureswithfabi.de

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Bergfreund Fabian B.

Nachdem ich mein Leben dem Klettern (nach oben) gewidmet hatte, stand ich oft oben am Berg und wollte nicht mehr runter laufen. Da musste ein Gleitschirm her. Das Fliegen hat mich dann mindestens genauso stark in seinen Bann gezogen wie die Kletterei. Also was kann es nur schöneres geben, als durch einen Wand auf einen Berg zu klettern und danach ins Tal zu fliegen? Climb&Fly ist das schönste, was es gibt! Falls du mehr erfahren möchtest: www.adventureswithfabi.de/blog

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