Leben wie Gott in Frankreich! Leider weiß man bis heute nicht, wer diese berühmte Redewendung geprägt hat. Allerdings muss derjenige dabei gerade genüsslich in einer Hängematte rumgelegen sein. Und auch ihr werdet erfreut sein, wie angenehm dieses unverschämte Genießen sein kann. Vielleicht bleibt ihr ja gleich dauerhaft, nun ja, hängen, denn an die Matte kann man sich schon echt gewöhnen. Allein schon diese Entspannung durch das leichte Schaukeln und das Wohlgefühl durch diese massageartigen Berührungen. Herrlich. Doch so richtig entspannt und subversiv wird das Ganze erst, wenn ihr ein wenig über die verschiedenen Hängemattentypen, Materialien und Alternativen Bescheid wisst.
Hängematte statt Zelt u. Co.?
Fassen wir zuerst kurz zusammen, was wir unter dem Thema Alternativen zum Zelten bereits zu den praktischen bzw. unpraktischen Seiten der Hängematte geschrieben haben:
Praktisch:
-
sehr leicht und kompakt, vor allem wenn die Isomatte weggelassen werden kann
- sehr leicht aufzuhängen, wenn Bäume vorhanden sind
- vergleichsweise angenehm bei schlammigem, steinigem oder feuchtem Untergrund
- mit der richtigen „Liegetechnik“ angenehmer Schlaf an der frischen Luft, ohne Beengtheit oder Zeltplanengeflattere
Unpraktisch:
- erfordert Bäume, Pfähle oder eine ähnlich stabile Hängevorrichtung im richtigen Abstand
- Schutz vor Insekten nur bei Spezialmodellen mit integriertem Moskitonetz
- wenig Schutz vor dem Wetter (ein Tarp über der Hängematte schützt vor Regen, aber nicht vor Wind)
Outdoor- und Reisetauglichkeit der Hängematte
Das Problem der Kälte bzw. mangelnden Isolation wird oft angeführt, lässt sich jedoch durchaus elegant entschärfen. So kann eine möglichst passende, mumien- oder trapezförmige Isomatte (die man oft sowieso dabei hat) recht passabel vor Kälte von unten schützen. Eine weitere Möglichkeit ist ein sogenanntes Underquilt, das außen herum befestigt wird. Es kann zwar guten rundum-Kälteschutz bieten, egalisiert dann aber mit seinem Gewicht und Packmaß wiederum den besonderen Leichtigkeitsvorteil der Hängematte. Ein guter Kompromiss, wenn es nicht allzu viel Wärmeleistung sein muss, sind ungefütterte und damit sehr leichte Hängemattenwärmer, die nach dem Rettungsdeckenprinzip funktionieren.
Dennoch: wer sich auf Bergsteigen oder Trekking festgelegt hat, wird eher selten über die Mitnahme einer Hängematte nachdenken. Die Höhe, die Kälte und das Wetter erfordern meist schwerere Geschütze. Eine leichte Hängematte ist vor allem für „gemäßigte“ Rucksackreisende, Allround-Traveller und Festivalgänger eine echte Alternative zum (schwer)gängigen Übernachtungsmodell aus Zelt, Schlafsack und Isomatte. Denn diese Reisenden werden vor allem in urbanen und ländlichen Zonen unterwegs sein, während sie „richtige“ Wildnis oder hochalpine Zonen eher selten und nur am Rande streifen. In aller Regel wird man auch zu saisonal „passenden“ Reisezeiten mit gemäßigten Wetterbedingungen unterwegs sein. In diesem Falle hat man mit dem Set aus Tarp, Hängematte und Isomatte oder Underquilt schon ein ziemlich breites Spektrum an Möglichkeiten. Bleibt noch die Frage, welcher Typ Matte wofür geeignet ist …
Welche Hängematten-Typen gibt es?
In der großen Vielfalt kann man 5 Grundtypen aufgrund verschiedener Kriterien wie Material und Form unterschieden:
- Reisehängematte: der Bergfreunde-Normalfall
Dieser Typus ist der für unsere Zwecke Interessanteste, denn nur hier steht neben Gemütlichkeit, Verarbeitung und schöner Optik auch die Funktionalität im Vordergrund. So zeichnen sich Reisehängematten vor allem durch ihr vergleichsweise geringes Packmaß, weniger Gewicht und oft auch einen moderaten Preis aus. Außerdem sind sie pflegeleichter und weniger empfindlich gegen Nässe, dafür aber auch meist nicht ganz so robust und langlebig wie Hängematten aus Baumwolle. Sie bestehen meist aus „Fallschirmseide“, die heutzutage nur noch dem Namen nach eine Seide ist und stattdessen ein sehr dicht gewebtes Polyamid, besser bekannt als Nylon, bezeichnet.
Die Funktionalität hat mit ihrer Entscheidung für Synthetik aber auch einen Preis: wenn es wirklich warm ist, kann das Liegen im Kunststoff durchaus schweißtreibend und unangenehm werden. Nur wirklich gute und entsprechend teurere Fallschirmseide verbindet eine passable Ventilation mit einem angenehmen Griff. Bei vielen Modellen der klassischen Outdoor-Marken ist besonders reißfestes Ripstop-Nylon verarbeitet.
- Tuchhängematte
Die Tuch- oder auch Stoffhängematte hat eine Liegefläche aus festem Kunststoff- oder Baumwollgewebe. Der Komfort resultiert hier aus dem im Vergleich zu anderen Typen hohen Geborgenheitsgefühl. Das wiederum ist umso größer, je größer bzw. breiter die Liegefläche ist, denn hier kann die rückengerechte Diagonallage (genaue Beschreibung am Ende des Artikels) ohne Schwierigkeiten eingenommen werden.
- Netzhängematte
Hier besteht die Liegefläche aus einem Netz aus Baumwolle oder synthetischem Material. Der Vorteil ist die Möglichkeit der Luftzirkulation, die Hitzestau und Schwitzorgien im Hochsommer vermeidet. Das Netz kann grob- oder feinmaschig sein, wobei Letzteres komfortabler, allerdings auch aufwändiger und teurer ist. Topmodelle sind häufig die sehr feinmaschigen mexikanischen Netzhängematten aus Baumwolle, die sich dem Körper und jeder Bewegung anpassen. Sie vermitteln ein Liegegefühl, das dem schwerelosen Schweben nahe kommt.
- Stabhängematte
Hier haben wir eine spezielle Bauform: am Kopf- und Fußende sind feste Querstäbe eingearbeitet, welche die Liegefläche zu einem Viereck auseinanderspreizen. Stabhängematten sind damit für die Längslage konzipiert (im Gegensatz zur Diagonal- oder Querlage). Die Nachteile des größeren Gewichts und der Sperrigkeit sind hier sofort offensichtlich. Auch sonst ist dieser Typus eher etwas für kurze Aufenthalte oder spezielle Vorlieben, denn als weitere Nachteile wären die meist wenig komfortable, straffe Spannung mit in die Haut kneifendem Netz oder Gewebe sowie die wackelige Instabilität zu nennen.
- Gathered-End-Hängematte
Im Grunde kann man alle Nicht-Stabhängematten als Gathered-End-Hängematten oder auch „Schlauchhängematten“ klassifizieren. Die beiden Enden der Liegefläche werden bei dieser klassischen Bauweise zusammengerafft (gathered). Dazu werden sie umgefaltet und die Falte dann schlauchförmig zugenäht. Durch die zwei „Schläuche“ wird dann eine Schnur oder ein Ring gezogen, der als Aufhängung dient. Es gibt auch andere Konstruktionsweisen, das Grundprinzip ist jedoch immer das Zusammenlaufen von Kopf- und Fußende zu einer Schlauchform. Aus dieser entstehen die charakteristischen Falten, die sich beim Platz nehmen in der Hängematte auseinanderziehen. Reise- und outdoortaugliche Hängematten sind so gut wie immer „Schlauchhängematten“.
All die genannten Typen gibt es auch in Baby- und Kinderversionen. Diese weisen aber abgesehen von geringerem Gewicht und Packmaß keine funktionellen Unterschiede oder Vorteile auf. Spezielle Typen wie Hängesessel oder Hängesitze sind eher nicht für den Gebrauch auf Reisen gedacht und werden deshalb an dieser Stelle nicht näher behandelt.
Wetterfeste Hängematten
Hier kann es eventuell zu Missverständnissen kommen: während das Outdoorvolk eher den Wetterschutz für die Hängematten-Insassen im Sinn hat, beziehen sich die Hersteller damit meist auf die Matten selbst und meinen deren Sonnen-, Wind- und Wetterbeständigkeit, wenn sie dauerhaft im Garten aufgehängt werden. Die meisten Reisehängematten aus Kunstfaser sind in letzterer Hinsicht auf jeden Fall „wetterfest“, müssen aber für den umfassenden Wetterschutz der Insassen noch ordentlich „gepimpt“ werden (siehe Beschreibung oben).
Zusammenfassend erkennt man, dass die Unterscheidungen nicht immer trennscharf sind und eine bestimmte Matte auch mehreren Typen zugehörig sein kann. Wenn man weiß, welche Kombination an Kriterien für den eigenen Bedarf am passendsten ist, wird man ohne große Schwierigkeiten eine gute Wahl aus dem riesigen Angebot treffen.
Was sonst noch zu beachten ist: Länge und Breite vs. Gewicht und Packmaß
Manche Spitzenreiter unter den ultraleichten Hängematten haben heutzutage auf Fliegengewichte zwischen 100 und 200 Gramm abgespeckt. Da macht sich die Übernachtungsmöglichkeit im Rucksack kaum noch bemerkbar. Ob man sie allerdings als groß und komfortabel genug für eine ganze Nacht oder womöglich gar viele Nächte erachtet, ist eine sehr subjektive Angelegenheit mit großer Schwankungsbreite an Meinungen. Man kann deshalb im Hinblick auf die „richtige“ Länge der Liegefläche nur grobe Richtwerte angeben: je nach Komfortbedürfnis liegt sie zwischen 1 1/2-facher Körperlänge (knapp bemessen) und 2-facher Körperlänge (großzügig bemessen). Hier gilt es zu bedenken, dass es für das Einnehmen der optimalen diagonalen Schlaflage (siehe unten) eine ausreichende Platzreserve braucht.
Die optimale Breite hängt ebenfalls vom subjektiven Empfinden sowie von der individuellen Körperfülle ab. Die Standardbreiten der Hersteller sind jedenfalls mit ihren etwa 120 – 140 cm für 1-Personen-Hängematten allemal ausreichend für das figurtechnische „Normalspektrum“.
Last but not least: Knoten und „Technik“
Wegen der Knoten braucht man sich nicht allzu viele Gedanken machen. Meist ist das Hängemattenset schon „vorgeknotet“ und oft liegt auch eine Anleitung bei. Zudem ist beim Aufbau meist genug Platz vorhanden, um alles entspannt und ohne irgendwelche ausgefeilten Tricks zu bewältigen. Falls einmal nur die Matte mit ihren Aufhängelaschen sowie die Schnüre vorhanden sind, werden diese einfach mit einer gegenläufig geknüpften Sackstich- oder Achterschlinge verbunden.
Viele Autoren empfehlen den extra zu lernenden Hängemattenknoten, der bei mehrtägig aufgehängten Matten etwas fester halten dürfte. Schnur und Baum werden dann am einfachsten mit dem leicht zu lernenden und vielseitigen Mastwurf verbunden (sofern nicht Anderes in der eventuell vorhandenen Anleitung beschrieben ist). Der Mastwurf zieht sich bekanntlich unter Belastung zusammen, während das Eigengewicht und die entsprechende Eigenspannung der Hängematte dafür sorgen, dass er sich nicht ungewollt öffnet (eine unbelegte Superleicht-Matte kann man mit einem dicken Reiseführer oder Politiklehrbuch beschweren).
Warum unter Gear-Nerds gern erwähnt wird, dass die Knoten auch unter Belastung verschiebbar oder zu öffnen sein sollten? Keine Ahnung. Oder … in welchem plausiblen Szenario könnte es unmöglich werden, sich zum Entlasten der Knoten aus der Hängematte zu erheben? Na klar, bei Lähmungserscheinungen nach Hexenschuss, Schlangenbiss oder diesem selbstgepanschten Fusel letztens in Rumänien. Kommt ja alles mal vor auf Reisen. Aber dann helfen (zumindest wenn grad keine Retter in der Nähe sind) auch die besonders pfiffigen Knoten nicht weiter …
Auch die richtige Art zu liegen kann sicher dazu beitragen, Lähmungserscheinungen zu vermeiden. Diese wäre bei allen Hängemattentypen außer den Stabhängematten die Diagonallage, die je nach Breite der Liegefläche bis zur Querlage variieren kann. Am besten legt man sich zuerst mittig gerade in die Hängematte, wo man feststellen wird, dass der Unterleib ziemlich tief durchhängt. Um jetzt in die „richtige“ Position zu kommen, schiebt man den Oberkörper langsam nach rechts und den Unterkörper/die Beine langsam nach links (oder umgekehrt). Dreh- und Angelpunkt dieser Bewegung ist die Körpermitte, die sich je nach Körperbau mehr oder weniger unterhalb des Bauchnabels befindet. Auf diese Weise hängt der Rücken nicht durch, so dass auch das Schlafen in Seitenlage möglich ist.
Damit sollte alles Wichtige beisammen sein, was es für den angenehmen Aufenthalt in der passenden Hängematte braucht. Und wer weiß: vielleicht steigst ihr jetzt mit eurer leichten, überall platzierbaren Reisehängematte komplett aus dem Hamsterrad aus und zieht als postmoderne Vagabunden durch die Welt …
One Comment on the Article
geile Einleitung, super