Im Jahr 2014 sorgte Bergfreundin Wiebke hier im Basislager für einen ersten Überblick über die Nachhaltigkeit in der Outdoorbranche.
Problematische Punkte bei Herstellern waren dabei die klassischen:
- Chemischen Imprägnierungen
- Daunen aus Lebendrupf
- Merinowolle, die von Farmen stammt, auf denen Mulesing betrieben wird
- Produktionsbedingungen in Fernost.
Allerdings gab es bereits 2014 eine lange Liste von Unternehmen, die zeigten, dass es auch anders geht.
Gerade wir Mitglieder der Outdoorcommunity möchten unser Freizeitparadies Natur möglichst gut schützen. Eine wachsende Zahl von Herstellern stellt deshalb seine Produktion um und nutzt unabhängig geprüfte Nachhaltigkeitslabels, um seine Ware zu zertifizieren.
Vor allem beim Bezug von tierischen Ausgangsmaterialien wie Daune, Leder und Wolle achten inzwischen weit mehr Hersteller konsequent auf zertifiziert nachhaltige Lieferquellen.
Tierquälereien wie Mulesing oder Lebendrupf sind mittlerweile bei den meisten Firmen ausgeschlossen.
Hersteller oder Kunden – Wer ist in der Pflicht?
Was war zuerst? Henne oder Ei? Ähnlich kompliziert ist die Situation im Streben nach Nachhaltigkeit im Outdoorbereich. Sind die Hersteller in der Pflicht auf Umweltschutz zu achten und Umweltgerecht zu produzieren oder müssen die Kunden proaktiv nach passenden Produkten suchen, sodass der Markt sich nach der Theorie Adam Smiths selbst regelt?
Hersteller müssen sich ändern
Für die Unternehmen steht mit der Umstellung auf Nachhaltigkeit natürlich ein Investment im Raum, dass sich wirtschaftlich nur rechtfertigen lässt, wenn die Nachfrage damit auch steigt.
Gerade im Bekleidungssektor ist das eine Kernfrage. Obwohl es Nachhaltigkeit auch im Outdoorbereich vom Nischentrend in die Massentauglichkeit geschafft hat, ist Fast Fashion populär wie nie.
Während sich die Nachhaltigkeitsbestreben der Hersteller leicht überblicken lässt, sind die Intentionen der Verbraucher komplex und durchmischt. 2014 schrieb Bergfreundin Wiebke:
Käuferinteresse zählt
„Bei uns kommen ehrlich gesagt so gut wie nie Anfragen rein, wo die Daune herstammt oder wo und wie die Bekleidung hergestellt wird. Anhand unserer Zahlen scheinen nachhaltige Hersteller vor den herkömmlichen nicht bevorzugt zu werden. Das Gegenteil ist eher der Fall. Nachhaltige Produkte sind teurer, was von den wenigsten Kunden gerne bezahlt wird. Warum sollte also ein Hersteller nachhaltig produzieren, wenn er seine Sachen am Ende nicht loswird und die Kunden doch lieber das günstigere Produkt kaufen?“
Seit Greta und Fridays for Future sind heute deutlich mehr Kunden sensibel für Nachhaltigkeit. Allerdings sind die Menschen auch preissensibler geworden und während das Interesse an Nachhaltigkeit steigt, sinkt die Bereitschaft einen Aufpreis dafür zu bezahlen.
Umweltaffine Käufer fordern Nachhaltigkeit ebenso im Outdoorbereich von den Herstellern als Standard.
Was tun die Hersteller?
Beginnen wir hier mit den Hardware-Produzenten. Deren Produkte „sind sicherheitsrelevant und müssen deshalb sehr strengen Tests und Normen standhalten, weswegen sie sehr hochwertig produziert werden müssen.“
Das bedeutet im Klartext drei Dinge:
- Die Produkte sind teuer in der Herstellung. Dadurch steigt der Preiskampf auf dem Absatzmarkt und die Hersteller versuchen preiswert zu produzieren.
- Kunden sind vor allem auf ihre Sicherheit bedacht, daneben wird der Nachhaltigkeitsaspekt wenig relevant.
- Die hohen Sicherheitsstandards lassen sich bei der Produktion bei Auftragnehmern in Niedriglohnländern kaum abbilden. Viele Hersteller produzieren deshalb vor Ort in Europa.
Als Best Practice lassen sich hier Unternehmen wie DMM oder AustriAlpin auflisten, die seit ihrer Gründung ausschließlich vor Ort in Europa produzieren und so kurze Transportwege haben. Auch das italienische Unternehmen Grivel sticht hervor. Grivel produziert mit selbsterzeugtem Strom aus den Solarpanelen auf dem Produktionsgebäude.
Nachhaltigkeit im Outdoorbereich – vom Nischentrend zum Massenphänomen
Eine deutliche Veränderung der letzten Jahre ist, dass immer mehr große Player des Outdoormarkts in die Nachhaltigkeit einsteigen. 2014 konnten nur einige kleine Hersteller wie Monkee, Jung oder Triple2 mit umfassender Nachhaltigkeit im Outdoorbereich punkten.
Und das obwohl nachhaltige Produktion entgegen der landläufigen Einschätzung für kleinere Firmen schwieriger ist als für größere: Nur Triple2 besteht weiterhin erfolgreich am Markt.
Patagonia
Unter den großen Unternehmen war lange Zeit Patagonia das einzige prominente Nachhaltigkeitsbeispiel. Die kalifornische Traditionsmarke hat es früh geschafft, hohe Nachhaltigkeitsstandards finanzierbar und damit massentauglich zu machen. Patagonia hat beinahe im Alleingang überhaupt einen Markt für Bio-Baumwolle geschaffen.
Den Rahmen für die Umwelt-Nachhaltigkeit setzt Patagonia mit seinem 4-Punkte Programm namens „Reduce, Repair, Reuse und Recycle.“ Ausführliches dazu ist in unserem Nachhaltigkeitsportrait der Firma nachzulesen.
Mammut
Ein weiterer Branchenriese, bei dem sich binnen sehr kurzer Zeit sehr viel getan hat, ist das Schweizer Traditionslabel Mammut. Die Schweiz steht zwar für Qualität und Präzision, doch mit hoher Nachhaltigkeit brachte man sie nicht unbedingt in Verbindung. Das möchte der Bergausrüster aus dem Kanton Aargau so schnell wie möglich ändern. Bis 2050 möchte das Unternehmen klimaneutral zu werden.
Dafür hat man binnen zwei Jahren eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie inklusive fester Zielsetzungen und Erfolgskontrolle entworfen. Diese WE-CARE-Strategie soll unter anderem bewirken, dass mindesten 95 % der verwendeten Stoffe bluesign-zertifiziert sind, keine PFC-basierte Ausrüstung mehr eingesetzt wird, 95 % der verwendeten Stoffe aus recycelten Materialien gewonnen werden und ausschließlich zertifizierte Bio-Baumwolle eingesetzt wird. Auch zu Mammut gibt es bereits ein Nachhaltigkeitsportrait im Basislager.
Mountain Equipment
Mountain Equipment gehört hingegen zu der Riege an Marken, die das Thema schon länger im Fokus haben. Um das Jahr 2010 herum, führte die Marke den Down Codex ein und machte das Sourcing ihrer Daune damit transparent und rückverfolgbar.
Mit dem Down Cycle geht dieses Engagement noch einen Schritt weiter: ME-Produkte unter diesem Label bestehen aus recycelter Daune sowie 100% recyceltem Innen- und Außenmaterial. Das Unternehmen hat unter anderem auch den „Leader Status“, die höchste Auszeichnung der Fair Wear Foundation. FWF setzt sich dafür ein die Produktionsbedingungen weltweit zu verbessern.
Im Vergleich zu den eben genannten eher mittelständischen Outdoorspezialisten haben die großen, auf Massenmärkte abzielenden Breitensport-Player wie Adidas weiterhin Nachholbedarf. Inzwischen hat zwar auch der Global Player aus Herzogenaurach ein Sustainability-Konzept. Im Vergleich zu anderen Outdoor-Unternehmen bleibt Adidas weit zurück.
Skandinavier besonders nachhaltig
Skandinavien ist wie fast in jedem Bereich auch bei der Herstellung von Bergsportausrüstung ganz vorne dabei. Bei einigen traditionellen Labels ist dieser Prozess auch schon länger im Gange.
So fasst man beispielsweise das Nachhaltigkeitsverständnis bei der schwedischen Firma Fjällräven schon seit vielen Jahren wie folgt zusammen:
„Das Besondere an Fjällräven ist, dass Nachhaltigkeit nicht als eigenständiges Projekt begriffen wird. Nachhaltigkeit ist die Grundlage für alles, was wir tun.“
Hier könnt ihr nachlesen, wie die Umsetzung dieses Credos im Detail aussieht.
Ähnlich sieht es bei Haglöfs aus, einem weiteren dicken Fisch im skandinavischen Teich. Auch hier erstrecken sich die Nachhaltigkeitsmaßnahmen über alle Herstellungsschritte und werden mit überprüfbaren Zahlen und Daten dokumentiert.
Dass Nachhaltigkeit bei Haglöfs kein Beiwerk, sondern tragende Säule ist, wird auch von außen bestätigt und honoriert. So wurde das Unternehmen schon 2015 zur nachhaltigsten schwedischen Marke des Jahres gekürt.
„Made in Germany“ gut dabei
Der Klassenprimus der Nachhaltigkeit kommt nicht aus Kalifornien oder Skandinavien, sondern aus Tettnang in Oberschwaben.
Er hört auf den Namen VAUDE und fällt seit vielen Jahren mit einem ambitionierten und konsequenten Nachhaltigkeitsfokus auf. Der jährliche Nachhaltigkeitsbericht von VAUDE dürfte umfangreicher sein als der gesamte Geschäftsbericht manch ähnlich großer Firma.
VAUDE ist ein echtes schwäbisches Familienunternehmen. CEO Antje von Dewitz wollte eigentlich im Umweltschutz tätig werden, ist dann aber in das Familienunternehmen reingewachsen.
Dass die Nachhaltigkeit von VAUDE-Produkten und -Aktivitäten weithin als glaubwürdig anerkannt wird, zeigen viele regelmäßig verliehene Zertifikate und Auszeichnungen.
Ganz in der Nähe von Tettnang befindet sich das Städtchen Isny im Allgäu. Dort hat die VauDe Tochter Edelrid ihren Sitz. Sie sticht ebenfalls mit einem außergewöhnlichen Nachhaltigkeitsfokus heraus.
Die Edelrid-Firmenphilosophie umriss der 2017 verstorbene Geschäftsführer Carsten von Birckhahn mit der Formulierung „Erst das Konzept, dann die Marge“. Dahinter verbergen sich Alleinstellungsmerkmale, die Edelrid bis heute auszeichnen:
Da wäre das Festhalten am Produktionsstandort Deutschland ebenso wie die Strategie, Produktqualität und Reaktionsfähigkeit auf Marktentwicklungen über Gewinnmaximierung zu stellen.
Der Grund dafür ist nicht nur Idealismus, sondern auch Pragmatismus:
„Die Produktwelt von Edelrid ist sehr sensibel, da es sich zu großen Teilen um PSA-Produkte (Produkte zur persönlichen Schutzausrüstung) handelt. Der hohe Qualitätsanspruch, der an diese Produkte gestellt wird, ist in Asien nicht darstellbar. (…) Edelrid ist Produkt- und Innovations-getrieben, und dies geschieht vollumfänglich im Haus.“
Trend zu neuen Labels
Damit Nachhaltigkeitsmaßnahmen nicht jedes Mal von neuem umständlich erklärt werden müssen, versuchen die Hersteller, sie mithilfe von Labels auf einen Blick erkennbar zu machen.
Unabhängige Labels
Ausgearbeitet und ausgestellt werden diese Labels von Organisationen, die sich der Förderung und Überwachung der Nachhaltigkeit verschrieben haben. Die Organisationen wiederum bestehen aus Partnerschaften, Netzwerken und Kooperationen zwischen Outdoor- und Bekleidungsbranche sowie unabhängigen Partnern.
Beispiele hierfür sind unter anderen:
- bluesign Standard
- Fairtrade
- Fair Wear Foundation (FWF)
- Europäische Outdoor-Gruppe (EOG)
- Skandinavische Outdoor-Gruppe (SOG)
- Sustainable Apparel Coalition / Higg Index (SAC)
Der Higg Index der letztgenannten Sustainable Apparel Coalition ermöglicht die standardisierte und vergleichbare Messung von Maßnahmen der Unternehmensverantwortung (Corporate Responsibility).
Firmeneigene Labels
Auch diese werden immer zahlreicher. So kennzeichnet beispielsweise Haglöfs seine nachhaltig produzierten Produkte mit dem „Sustainable Choice Label“, das im oben verlinkten Haglöfs-Portrait näher beschrieben ist.
Die Akzeptanz solcher Labels bei den Kunden hängt nicht zuletzt von „Standing“ und Image der Firma ab.
Die wachsende Zahl der Initiativen und Labels kann aber auch verwirren. Deshalb haben wir sie hier im Basislager schon einmal genauer aufgedröselt.
Outdoorhändler
Abschließend in der Produktkette versuchen sich nicht nur die Hersteller sondern auch die Händler an einem nachhaltigeren Wirtschaftsprinzip. So auch die Bergfreunde, die durch Maßnahmen in den Bereichen Transport, Energie(Gewinnung) und Verpackung mittlerweile klimaneutral unterwegs sind.
Zusammenfassend …
… lässt sich sagen, dass Maßnahmen der Nachhaltigkeit im Outdoorbereich in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Sie sind zahlreicher, intensiver und effizienter geworden.
Gleichzeitig steigt auch die Nachfrage nach ökologisch und ethisch nachhaltigen Produkten stetig weiter an. Das bewegt auch traditionell weniger nachhaltige Unternehmen ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen. Der Ausbau nachhaltiger Infrastruktur, die von Nachhaltigkeitslabels über zertifizierte Rohstoffgewinnung bis hin zu Emissionsausgleichprojekten reicht, senkt den Preis und die Hürde für weitere Unternehmen selbst nachhaltig zu werden.