Wolle ist Wolle und Merino ist Merino. Stimmt doch, oder? Naja, ganz so einfach ist es dann doch auch wieder nicht. Kleidungsstücke aus reiner Merinowolle gibt es schon seit geraumer Zeit. Hersteller wie Icebreaker, Rewoolution und Co. tummeln sich schon seit Längerem in diesem Segment. Doch gerade im Bereich der Mixmaterialien gibt es immer wieder neue Produktvarianten und innovative Technologien.
So sind beispielsweise Ortovox, Houdini und Icebreaker auch mit mehreren Mischgeweben mit Tencel, Lyocell und Modal am Start. Socken, Unterwäsche und Baselayer von Falke oder Engel gibt es zudem auch mit einer Mischung aus Merino und Seide. Was aber können diese Materialien und wofür werden sie vornehmlich verwendet? Wir haben uns zu diesem Thema einmal schlau gemacht und wollen euch nun am Ergebnis unserer Recherche teilhaben lassen.
Reine Merinowolle
Runter vom Schaf und rein ins Shirt, so lautet die Devise bei Kleidungsstücken aus reiner Merinowolle. Dieses natürliche Material hat zahlreiche gute Eigenschaften und eignet sich aufgrund seiner besonderen Struktur gut für Funktionskleidung.
Das Wichtigste gleich vorab: Merinowolle ist weich und kratzt nicht. Wer also wie ich mit einem starken Kindheitstrauma belegt ist und schon beim Aussprechen des Wortes Wolle fiese Zuckungen bekommt, kann an dieser Stelle erleichtert durchatmen. Auch in puncto Temperaturausgleich sind die feinen Merinofasern den wesentlich dickeren, herkömmlichen Wollfasern klar überlegen. Je nach Bedarf besitzen Merinomaterialien wärmende oder kühlende Eigenschaften. Die gekräuselten Fasern der Merinowolle beherbergen unzählige kleine Luftblasen. Diese sorgen für eine optimale Isolation und verhindern somit das Auskühlen des Körpers. Darüber hinaus können Merinostoffe Feuchtigkeit aus der Umgebung aufnehmen und in Wärme umwandeln. Die sogenannte Sorptionswärme unterstützt dann die natürliche Isolation.
Andersrum geht es aber auch. An warmen Tagen oder beim Sport schützt sich unser Körper vor dem Überhitzen, indem er schwitzt. Merinowolle kann diese Feuchtigkeit aufnehmen und nach außen abtransportieren. Dort verdunstet diese dann und hat wiederum eine wärmeregulierende Wirkung.
Merinowolle kann in etwa ein Drittel ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen, erst danach fühlt es sich klamm oder feucht an. Merino ist in aller Regel ein sehr warmes Material. Dies ist gerade bei Kleidungsstücken wie Pullovern und langer Unterwäsche sehr praktisch, hat aber beispielsweise bei T-Shirts auch Nachteile. Gerade für den Einsatz bei hohen Temperaturen sind T-Shirts aus reiner Merinowolle oft schlichtweg zu warm. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren die unterschiedlichsten Mix-Materialien entwickelt.
Merino mit Tencel, Modal, Lyocell und Co.
Eine kühle alternative zu reinem Merino sind Mischgewebe mit Fasern wie Tencel/Lyocell oder auch Modal. Diese werden aus natürlichem Zellstoff künstlich hergestellt. Ausgangsstoff ist dabei entrindetes und kleingeschnittenes Buchen-, Eukalyptus- oder Pinienholz. Diese Fasern verfügen ähnlich der Merinowolle über hervorragende Eigenschaften. Hersteller wie Icebreaker oder Ortovox machen sich das schon seit einiger Zeit zu Nutze und kombinieren beispielsweise Tencel und Merinowolle. Heraus kommen dabei Materialien wie Cool-Lite (Icebreaker) oder Merino Cool (Ortovox).
Was können diese Stoffe genau?
Schauen wir uns hierzu, stellvertretend für alle anderen Materialien der Kategorie, Merino Cool von Ortovox einmal näher an: Merino Cool ist, wie bereits angedeutet, ein Mischgewebe aus Merinowolle und Tencel. Das Schöne daran ist, dass es sich bei beiden Materialien um Produkte handelt, die auf nachwachsenden Rohstoffen basieren und in ihrer Kombination einen Stoff mit besten Kühleigenschaften bilden. So haben Laboruntersuchungen ergeben, dass ein Shirt, das jeweils zur Hälfte aus Tencel und Merino besteht, gegenüber einem gleichwertigen Shirt aus reiner Merinowolle um ca. 20 % kühler ist.
Der Grund hierfür liegt im natürlichen Feuchtigkeitsgehalt des Faserkerns. Je höher dieser natürliche Feuchtigkeitsgehalt ist, desto kühler wirkt eine Faser. Diese Grundfeuchtigkeit wird vom Träger freilich nicht als Nässe wahrgenommen, trägt aber dennoch zur Wärmeregulierung bei. Darüber hinaus sorgt eine glatte Oberfläche für ein kühles Gefühl auf der Haut. Zudem kann dieses Mixmaterial, ebenso wie reine Merinowolle, entstehende Feuchtigkeit schnell aufnehmen und nach außen abgeben. Die so entstehende Verdunstungskälte sorgt gleichzeitig auch für eine angenehme Temperaturregulierung. Da die Fasern die entstehende Feuchtigkeit aufnehmen und in ihren Kern leiten, verfügt das Material immer über eine vergleichsweise trockene Oberfläche. Bakterien wird hierdurch der Nährboden genommen und das Kleidungsstück riecht auch nach längerem nicht übermäßig unangenehm. Materialien dieser Art sind vornehmlich für sommerliche Shirts und andere Kleidungsstücke, die an warmen Tagen oder bei schweißtreibenden Aktivitäten zum Einsatz kommen, geeignet.
Merino mit Seide
Im Bereich der (Funktions-)Unterwäsche gibt es eine weitere interessante Mischung: Merino und Seide. Hierzu werden ebenfalls nur natürliche Rohstoffe verwendet und es entsteht ein Endprodukt, das sich sehen lassen kann. Hersteller wie Falke oder Engel setzen Materialien dieser Art vornehmlich für Unterwäsche, Socken und Baselayer ein.
Der Grund hierfür ist so einfach wie simpel. Merinomaterialien mit einem Seidenanteil sind extrem angenehm zu tragen. Sie fühlen sich auf der Haut sehr glatt an und sind zudem temperaturneutral oder temperaturausgleichend. Gerade an warmen Tagen und bei anstrengendem Sport wirken somit Unterwäsche, Socken und Co. nicht wärmend. Ähnlich den Mischmaterialien mit Lyocell etc. wird zudem ein schneller Feuchtigkeitstransport ermöglicht. Dies unterstützt nicht nur den Trocknungsprozess, sondern auch einen angemessenen Temperaturausgleich. Darüber hinaus wird auch hier Bakterien der Nährboden genommen und somit die Geruchsbildung eingedämmt. Ein weiterer praktischer Effekt ist, dass durch die glatte Materialstruktur Pilling (also das lästige Aufribbeln an stark beanspruchten Stellen) gemindert wird.
Fazit
Merinomixmaterialien gibt es mittlerweile in den unterschiedlichsten Ausführungen. Je nach Einsatzgebiet kommen bei den einzelnen Herstellern zahlreiche Materialvarianten zum Einsatz. Da es auch hier die Eier legende Wollmilchsau nicht zu geben scheint, hat jedes Material selbstverständlich seine Vor- und Nachteile. Auch Fertigungsprozesse, Machart und Materialstärke wirken sich auf den Tragekomfort und die Funktionalität aus. Daher sollte man beim Kauf neben den Herstellerangaben immer auch auf Faktoren wie Passform, persönliche Vorlieben und Optik achten.
P.S.: Merinowolle und Merinomixmaterialien sind vergleichsweise pflegeleicht. Glaubt Ihr nicht? Wiebke hat hierzu recherchiert und teilt ihr Wissen in ihrem Blogbeitrag Merino – eine Pflegeanleitung gerne mit Euch.
10 Comments on the Article
Ich fand es sehr interessant
Interessant fände ich noch Hinweise bezüglich der Haltbarkeit, besonders der Scheuerbeständigkeit solcher Materialien. Reine Merino-T-Shirts finde ich in dieser Hinsicht bereits nicht sonderlich überzeugend. Hier hat erst die Corespun-Technik mit einem Kunstfaserkern bei Super-Natural und Icebreaker eine ausreichende Langlebigkeit gebracht. Meine Erfahrung mit Zellulose-Fasern wie Tencel und Modal in Reinform oder unter Baumwoll-Beimischung bei Unterwäsche war enttäuschend. Insbesondere Unterhosen waren im Schritt, ich fahre täglich zum Arbeitsplatz mit dem Fahrrad, innerhalb kürzester Zeit durchgescheuert. Produkte mit einer Kunstfaserbeimischung haben auch hier die Langlebigkeit deutlich erhöht.
Wie sieht das eigentlich mit Mottenfestigkeit aus? Sind Mischmaterialien da resistenter? Bei Supernatural schien mir das so .
Hallo. Mich würde interessieren ob Mischgewebe zB im Verhältnis 80 % Merinowolle und 20% Tencel, dann auch schneller anfangen zu riechen als Merino-Shirts aus 100 % Merino-Wolle? Oder fällt das bei einem so hohen Prozentsatz an Merinowolle nicht ins Gewicht? Habt ihr dazu Erfahrungen? LG Maria
Hallo Bergfreunde! Bei den Mischgeweben frage ich mich, die Nachteile welches Materials sollen ausgeglichen werden? Tencel scheint die gleichen Vorzüge wie Merinowolle zu besitzen, abgesehen von der wärmenden Funktion. Welche Vorteile bietet dann ein Mischgewebe aus Merinowolle und Tencel gegenüber einem T-Shirt nur aus Tencel?
Hallo Bergfreunde! Bei den Mischgeweben frage ich mich, die Nachteile welches Materials sollen ausgeglichen werden? Tencel scheint die gleichen Vorzüge wie Merinowolle zu besitzen, abgesehen von der wärmenden Funktion. Welche Vorteile bietet dann ein Mischgewebe aus Merinowolle und Tencel gegenüber einem T-Shirt nur aus Tencel?
Hallo Victor, Merinowolle hat noch stärkere geruchsneutrale Eigenschaften wie Tencel oder Modal. Deshalb ergibt es hier durchaus Sinn einen Teil Merinowolle beizumischen, um wirklich die optimalen Eigenschaften beider fasern zu kombinieren. Viele Grüße, Marco
Ich habe ein Damenshirt als 'Merino-Unterwäsche' gekauft und im Etikett die Zusammensetzung 39% Merino / 59% Polyamid gesehen. Gibt es Testergebnisse oder wissenschaftliche Analysen, die diese Zusammensetzung des Materials empfehlen lassen, bzw. welche besonderen Eigenschaften verspricht man sich daraus?
Ich habe ein Damenshirt als 'Merino-Unterwäsche' gekauft und im Etikett die Zusammensetzung 39% Merino / 59% Polyamid gesehen. Gibt es Testergebnisse oder wissenschaftliche Analysen, die diese Zusammensetzung des Materials empfehlen lassen, bzw. welche besonderen Eigenschaften verspricht man sich daraus?
Hallo Georg, es geht hier um die Langlebigkeit der Produkte. Merinowolle hat sehr viele positiven Eigenschaften, aber es ist eine ziemlich empfindliche Faser. Deshalb haben viele Hersteller begonnen, damit zu experimentieren einen gewissen Prozentsatz an Kunstfaser beizumischen, um die Robustheit des Materials zu erhöhen, ohne aber die positiven Eigenschaften von Merinowolle zu verlieren. Es ist hier noch nicht abschließend klar wie viel Merinowollanteil hier nötig ist um Dinge wie Geruchneutralität zu bewahren. Viele Grüße, Marco