Die Hallen und Felsblöcke scheinen voll mit guten Boulderern – nur wie sind sie dahin gekommen und wie lange hat das gedauert?
Natürlich gilt beim Bouldern, wie bei jeder Sportart, Übung macht den Meister und ohne Fleiß kein Preis. Aber ein paar Dinge können zu Beginn hilfreich sein, um sich etwas schneller zu verbessern.
Training & Technik
Bouldertipps für Anfänger
Bouldern lernt man relativ schnell. Das ist die gute Nachricht. Ähnlich wie beim Klettern sind die Erfolgserlebnisse zu Beginn zahlreich und die Fortschritte lassen bei regelmäßigem Training nicht lange auf sich warten.
Nach den ersten Trainingseinheiten schmerzt noch jeder Muskel und vor allem solche, von denen man gar nicht wusste, dass man sie besitzt. Außerdem erscheinen einem noch die meisten Griffe als vollkommen unhaltbar. Aber dann, nach nur wenigen Wochen, wird der Muskelkater weniger, die Projekte purzeln eins nach dem anderen und das Grinsen will nicht mehr aus dem Gesicht gehen. Wenn das der Fall ist, bleibt man beim Bouldern, jetzt ist es an der Zeit ein paar Dinge zu beachten.
Das richtige Material für den Start
Beim Bouldern braucht man eigentlich nicht viel. Eine bequeme Hose und die richtigen Schuhe. Aber hier wird es ziemlich spannend. Die ersten Wochen haben noch die Leihschuhe aus der Halle ausgereicht, doch schnell merkt man, dass die nicht immer förderlich sind. Steht der Kauf des ersten eigenen Paares an, tut sich schnell eine lange Liste an Fragen auf: „Wie eng sollen/müssen sie sein“ und „Braucht man beim Bouldern spezielle Schuhe?„
Generell kann man nicht sagen, dass Kletterer und Boulderer unterschiedliche Schuhe tragen, aber sie präferieren häufig etwas andere Modelle. Entscheidender als die Frage, Kletterer oder Boulderer, ist die Frage, welche Boulder man bevorzugt und somit häufiger bouldert.
Boulderer, die sich viel im Dach oder an stark geneigten Wänden aufhalten, brauchen eher vorgespannte Schuhe, die an der Ferse richtig fest sitzen und damit einen Hook gut halten können.
Boulderer, die senkrechte Wände oder Platten bevorzugen, brauchen Schuhe mit einem sehr guten Trittgefühl für kleine Tritte oder Reibung.
Bei der Auswahl des richtigen Schuhs sollte man sich Zeit nehmen und gründlich wählen. Daher besitzen nicht wenige Boulderer zwei oder mehr Paar Schuhe. Aber, das erste Paar hält in der Regel nicht sehr lange, also zu Beginn vielleicht nicht zu tief in die Tasche greifen.
Die richtige Bouldertechnik
Ähnlich, wie bei allen Sportarten, haben sich im Laufe der Jahre Standardbewegungen herausgebildet, die dem Boulderer helfen, Boulderprobleme zu meistern und die Effizienz zu steigern. Die Techniken orientieren sich an der Wandneigung, der Griff- und Trittform, dem Charakter der Route (Traverse oder Straight Up), der Wandbeschaffenheit (Leisten, Sloper, Riss, Kante) und natürlich auch dem Schwierigkeitsgrad.
In der Halle werden die Boulder häufig als eine Aneinanderreihung von Techniken geschraubt. Die Summe der Bewegungen ergibt das „Boulderproblem“, das es zu knacken gilt. Häufig gibt es mehrere Lösungen und gerne fordern unterschiedliche Körpergrößen, Kraft und Reichweiten eigene Lösungswege. Je größer Dein Repertoire an Techniken und je schneller Du diese abrufen kannst, umso besser.
Eine gute Möglichkeit Bouldertechnik zu erlernen, ist natürlich einen Kurs zu machen und unter fachkundiger Anleitung die grundlegendsten Techniken auszuprobieren. Aber beim Bouldern lernt man ganz viel über den Austausch mit anderen Boulderern und dem gemeinsamen Ausbouldern von Problemen. Ist doch ein Riesenvorteil am Bouldern, dass man an (fast) jeder Stelle des Boulders einsteigen kann und nicht, wie beim Klettern, erst mal zahlreiche Meter klettern muss, um an besagte Stelle zu gelangen.
Also einfach ausprobieren, anderen aufmerksam zusehen und miteinander reden. Wenn man dann noch offen ist, für Bewegungen, die man im Traum nicht für möglich gehalten hätte, dann ist man auf dem richtigen Weg.
Das richtige Bouldertraining
Ein effizientes Training richtet sich immer nach den Stärken und vor allem Schwächen eines Boulderers, seiner Fitness und physiologischen und psychologischen Konstitution und sollte demnach individuell zusammengestellt sein. Aber folgende Punkte sollten in jedem Training enthalten sein.
Ganzheitliches Aufwärmen
Ganz wichtiger Bestandteil von jedem Training ist ein vernünftiges Aufwärmprogramm, damit der Körper sich auf die bevorstehende Belastung einstellen kann und wir uns nicht so schnell verletzten. Dabei geht es nicht nur darum, die Betriebstemperatur zu erhöhen, sondern auch den Körper auf die bevorstehenden spezifischen Anforderungen vorzubereiten. Beim Bouldern ist das viel Maximalkraft, aber auch Beweglichkeit.
Hierzu bieten sich leichte Boulder an. Diese langsam und bewusst Bouldern und dabei versuchen die Techniken präzise und schön auszuführen. Zwischen den Bouldern immer etwas Pause machen, damit der Körper Zeit hat sich anzupassen. Daher langsam den Schwierigkeitsgrad der Boulder steigern.
Übrigens ist man inzwischen davon abgekommen sich vor dem Training zu dehnen, führt das doch eigentlich zu einer Entspannung der Muskeln.
Aufwärmen der Finger
Ganz wichtig! Die Finger und die dazugehörigen Muskeln (diese sitzen im Unterarm) werden beim Bouldern extrem belastet. Daher sollten diese unbedingt ausgiebig auf das Training vorbereitet werden. Aber bitte an schön großen Griffen und nicht mit aufgestellten Fingern an kleinen Leisten und Finger weg vom Campusboard.
Das Training: Arbeite an Deinen Schwächen!
Das Training sollte in Dauer und Umfang fordern, aber nicht überbelasten, denn sonst drohen Verletzungen.
Jeder Boulderer hat seine Stärken und Schwächen. Leider neigen wir dazu Boulder zu bevorzugen, die unseren Stärken entgegenkommen, denn diese fallen uns leichter und wir können schwerer Schwierigkeitsgrade bouldern, was ungemein viel Spaß macht.
Trainieren wir jedoch fortwährend unsere Stärken, werden unsere Schwächen nicht kleiner. Daher sollte man lieber an seinen Schwächen arbeiten, als an seinen Stärken. Wer also wahnsinnig gut auf der Platte ist, sollte trotzdem regelmäßig ins Dach und umgekehrt. Ist häufig deprimierend, auf lange Sicht aber erfolgreicher.
Allerdings zeigen sich die Stärken und Schwächen nicht immer direkt in den einzelnen Bouldern. Ein paar Sachen bekommen wir noch durch Beobachtung hin, aber dann ist auch schnell
Schluss. Die Jungs von Wataaah haben das auch erkannt und sich eine Maschine ausgedacht, die eine umfangreiche Stärkenanalyse ermöglicht – den Kraftolizer.
Hier werden so Sachen getestet wie: Beweglichkeit, Maximalkraft, Ausdauer, Reaktionsfähigkeit etc. Am Ende erhältst Du dann eine genaue Auflistung, woran Du wie arbeiten sollten. Aber sei gewarnt, in den seltensten Fällen lautet die Analyse: „Kraft. Ab ans Campusboard“, denn das ist eher was für die Profis. Die meisten Amateure tun sich eher mit Technik und Beweglichkeit schwer.
Belohnung nicht vergessen
Die ist ein elementarer Bestandteil des Trainings und sollte nicht ausgelassen werden. Am besten gleich mit den Leuten, mit den man gebouldert hat, direkt an den Tresen wechseln.
Verletzungen vermeiden
Wie gefährlich ist Bouldern?
Laut Statistik des DAV entfielen bei 160 Unfällen in DAV Kletterhallen im Jahr 2014 70 auf Boulderer. Im Jahr 2019 waren schon 220 Unfälle verzeichnet. Allerdings sollte man dabei berücksichtigen, dass in dieser Statistik lediglich die DAV Hallen aufgeführt werden und private Hallen Unfälle nicht dem DAV melden.
Mein persönlicher Eindruck ist, dass beim Bouldern wesentlich häufiger Verletzungen auftreten als beim Klettern. Dabei handelt es sich zum einen um Verletzungen, die durch Traumata entstehen, also durch Außeneinwirkungen, zum anderen um Verletzungen aufgrund von falschem oder übermäßigem Training.
Typische Boulderverletzungen durch Unfälle
Bei Unfallverletzungen muss man unterscheiden zwischen solchen, die der Boulderer sich selbst zufügt oder anderen.
Umstehende Personen sind betroffen, wenn der Sturzraum unter einem Boulderer nicht freigehalten wird. Ein herunterfallender Boulderer kann, je nach Höhe, ziemlich viel Kraft entwickeln und dementsprechend schmerzen, wenn er auf einen herunterfällt. Welche Kräfte dabei entstehen, zeigt unser Fallhöhenkalkulator. Aber auch schwingende Boulderer können für Umstehende zu einer Gefahr werden.
Verletzungen, die den Boulderer selbst betreffen, konzentrieren sich häufig auf die Extremitäten, also Beine oder Arme. Besonders häufig kommt es zu Verletzungen an Füßen und Knien, wie Brüche des Fersenbeins, Bänderriss, Kreuzbandriss, Meniskusschäden etc., um die gängigsten zu nennen. Kopfverletzungen sind beim Bouldern zum Glück sehr selten.
Verletzungen aufgrund falschen Trainings
Im Gegensatz zum Klettern zehrt man beim Bouldern hauptsächlich von der Maximalkraft. Kurze, sehr kräftige Sequenzen bestimmen das Bouldern. Dadurch unterscheiden sich die Belastungen für den Bewegungsapparat von denen beim Klettern.
Was viele Menschen nicht wissen: Bänder und Sehnen brauchen wesentlich länger für die Anpassung an eine gesteigerte Belastung als Muskeln – nämlich ca. 1 bis 1,5 Jahre. Während die Muskeln bereits ab dem ersten Training wachsen und ihre Effizienz, also ihre Kraft steigern, sind die Bänder noch ganz gemütlich dabei ihre Strukturen zu stärken. Daher kommt es, dass viele Verletzungen aufgrund von Überbelastungen entstehen. Je nach Trainingsintensität treten sie etwa 6 Monaten bis ca. 1,5 Jahre nach Trainingsbeginn auf. Nämlich dann, wenn die Kraft der Muskeln die Belastbarkeit der Sehnen und Bänder übersteigt. Ein Klassiker ist der Ringbandriss zu Beginn des zweiten Trainingsjahres.
Ein anderes Problem, was aber wesentlich später auftritt, sind gesundheitliche Probleme aufgrund von einseitigem Training. Das ist kein spezielles Kletterproblem, sondern tritt immer dann auf, wenn man ausschließlich eine Sportart betreibt und diese sehr intensiv.
Leider weit verbreitet beim Klettern und Bouldern ist der sogenannte Kletterrücken. Beim Klettern und Bouldern werden vor allem die Brust und Bauchmuskulatur und der obere Schulterbereich trainiert. Der mittlere Rücken und der Lendenbereich hingegen relativ wenig. Wird die Muskulatur in Bauch und Brust immer stärker, zieht sie sich naturgemäß zusammen. Wird nun der Körper über die Gegenseite, also Rücken und Lendenbereich nicht in die andere Richtung gezogen, krümmt sich der Körper langsam nach vorne. Bei jungen Sportlern kann man dies leider besonders gut beobachten, da ihre Körper noch stärker formbar sind. Die Schultern ziehen nach vorne und der Bereich der Schulterblätter wird immer runder.
Verletzungen aufgrund falscher Kletterschuhe
Auch sehr weit verbreitet ist die Mähr vom Kletterschuh, „der weh tun muss“. Totaler Unsinn und leider sehr ungesund. Drohen doch Fußprobleme wie Halux Valgus, entzündete Fußnägel und hässliche Schwielen. Mehr zum Thema falsche Kletterschuhe findest Du hier.
Wie kann man Verletzungen beim Bouldern vermeiden?
Natürlich kann es bei der Ausübung von Sport immer zu Verletzungen kommen, aber die meisten kann man mit ein paar einfachen Vorkehrungen vermeiden.
Richtig Stürzen
Ja, die Matten in einer Boulderhalle sind schön dick und sehen vertrauenserweckend aus. Und Stürzen gehört beim Bouldern dazu. Aber man kann bedacht und vernünftig stürzen oder nicht.
Nicht vergessen, die Wand ist immer noch 4 Meter hoch! Gerade wer in seinem Leben oder in den letzten Jahren wenig Sport gemacht hat, sollte seinem Körper Zeit geben auch koordinativ aufzuholen. Also keine gewagten aberwitzigen Stunts auf die Matte. Das danken einem auch die anderen Boulderer. Und es ist übrigens keine Schande, ein oder zwei Meter abzuklettern und dann kontrolliert zu springen.
Augen aufmachen und beobachten, was die anderen machen, ist auch sehr hilfreich. Das gilt gleichermaßen für die an der Wand und die auf der Matte.
Das ist jetzt kein Witz: Auf die Matte springen. Nicht wenige Verletzungen rühren daher, dass Boulderer die Matte verfehlen und auf dem harten Boden landen. Da Kletterschuhe im Fersenbereich über keinerlei Dämpfung verfügen, kommt es so schnell zu Brüchen des Fersenbeins. Die sind sehr unangenehm und sehr langwierig in der Heilung. Im Zweifelsfall lieber noch ein Crashpad dazu legen.
Richtig trainieren
Wenn man zwei Dinge beachtet, fährt man schon ziemlich gut: Pausen machen und von klein zu groß.
Pausen machen
Mehr noch als beim Klettern braucht der Körper beim Bouldern, Zeit sich zu erholen. Ja, ist nicht immer ganz einfach, aber unerlässlich. Eigentlich sollte auf jeden Bouldertag ein Ruhetag folgen. Bouldert man zwei Tage hintereinander, folgen zwei Ruhetage. Gerade zu Beginn, wenn die Finger die Belastung noch nicht gewohnt sind, sollte man diese Weisheit einhalten. Hält man es gar nicht mehr aus, nur leichte Boulder klettern.
Von klein zu groß
Will heißen, die kleinen Leisten sind nur was für ausgeruhte, aber gut aufgewärmte Finger. Je müder die Finger, umso größer die Griffe. Daraus ergibt sich auch der größte Fehler, den man machen kann: „Platt machen“ am Campus Board. Also zum Ende des Trainings noch mal an den kleinen Holzleisten trainieren. Eine ganz schlechte Idee.
Apropos Campusboard
Hier haben Anfänger nichts zu suchen. Das Campusboard ist für Leute da, die schon ein paar Jahre Bouldern. Was bringt es Dir noch schneller Kraft aufzubauen um noch schneller Deine Sehnen und Bänder kaputtzumachen? Und für die Technik ist es auch nicht hilfreich. Also lieber damit warten.
Loslassen
Eine der besten Weisheiten, die ich von meinem ersten Trainer lernte, war: „Ein guter Kletterer lässt los.“ Will heißen, man sollte nicht jeden Griff um Teufelsgewalt halten. Wäge gut ab, ob der Durchstieg eine Verletzung lohnt. Wer los lässt, hat noch viele Versuche offen, wer im falschen Moment zu viel Ehrgeiz beweist nicht.
Das Tape
Finger tapen kann sinnvoll sein, aber auch nicht. Zu Beginn erscheint es verlockend, die noch zarte Haut zu schonen, können doch Hautabschürfungen an den Fingern das Training jäh beenden. Oder man denkt sich, man hilft den Bändern und Sehnen, sich nicht zu sehr zu belasten und tapet daher die Finger.
Beides ist eher kurz gedacht. Wer zu viel tapet verhindert die Bildung von Hornhaut, die Verletzungen an der Haut seltener macht. Also lieber in den ersten Monaten ein paar kleine Malessen ertragen und dafür dann in Zukunft Ruhe haben.
Das Unterstützen der Finger führt dazu, dass die Bänder und Sehnen sich noch langsamer anpassen. Sprich, die Diskrepanz zwischen Kraft und Belastbarkeit der Finger wächst noch schneller.
Und, wer Schmerzen in den Fingern hat: Lieber zum Arzt gehen, anstatt eigenmächtig zu tapen.
ALLES HALB SO WILD
Das hat sich jetzt alles sehr dramatisch angehört. Im Grunde ist Bouldern aber kein gefährlicher Sport. Man sollte nur hin und wieder seinen Kopf einschalten.
2 Comments on the Article
Ich gehe selber Bouldern und wollte mal nachschauen was Sie hier so Schreiben. Ich finde die Tipps die Sie hier geben echt hilfreich und Anfänger sollten die Tipps echt annehmen und die mal Ausprobieren. Es wird funktionieren.!
Hi, ein sehr toller Artikel für Anfänger! Lässt sich gut lesen und ist verständlich. Momentan bin ich am recherchieren für eine Studie, bei der Kinder bouldern sollen. Gibt es da eine "Kletterdauer" an die man sich halten sollte? Bzw. was ist für Kinder zumutbar und wie lange braucht man als Kind für einen gewöhlichen Boulder? Wäre super, wenn sich jemand finden könnte, mir diese Fragen zu beantworten! :-) Viele Grüße, Hendrik