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Klettern und Bergsteigen in der Schwangerschaft? Nur zu!

Inhaltsverzeichnis

Wir haben für euch mit Dr. med. Mirjam Schönfeld, Gynäkologin an der LMU Frauenklinik München und Prof. Dr. med. Thomas Küpper, Arbeits- und Höhenmediziner an der Uniklinik der RWTH Aachen gesprochen. Mirjam Schönfeld ist selbst eine sehr erfahrene Bergsportlerin und in ihrer Schwangerschaft weiterhin klettern gewesen. Thomas Küpper erforschte unter anderem zusammen mit Jan Drastig wie sich das Kletterverhalten und die Belastbarkeit im Verlauf der Schwangerschaft verändert. 

Das Verletzungsrisiko ist im Vergleich zu anderen Sportarten gering. Doch bringen das Klettern und Bergsteigen eventuell extremere Anforderungen an den eigenen Körper mit sich. Bis zu welcher Schwangerschaftswoche würden Sie sagen, dass Bergsteigen und Klettern bis zu 2500-3000 m problemlos möglich ist?

Frau steht im Schnee und lacht in die Kamera
Bei Beratungen in der Klinik oder am Berg – immer sportbegeistert! ©Mirjam Schönfeld

Mirjam Schönfeld: Das ist von vielen Faktoren abhängig. Wenn es eine unkomplizierte Schwangerschaft und die Frau gesund ist, sollte es bis 2500 m keine größeren Probleme geben. Es ist so, dass im 1. Schwangerschaftsdrittel viele Frauen eher abgeschlagen sind und im 2. Drittel die Frauen am fittesten sind. Prinzipiell ist wichtig, dass die Frau schon vor der Schwangerschaft in den Bergen unterwegs war und ihren Körper kennt.

Ganz wichtig ist, dass sich die Schwangere immer wohl fühlt bei dem was sie tut. Wer in der Schwangerschaft im 1. oder 2. Trimenon über 3000 m gehen möchte, kann das mit einer Akklimatisierungsphase machen. Es sollte keine zu große Anstrengung auf einmal sein, sodass die Durchblutung der Frau in den Vordergrund tritt und das Kind unterversorgt wird.

Thomas Küpper: Unsere Studien haben gezeigt, dass Frauen von sich aus vorsichtiger werden. Es gibt hier auch ein merkwürdiges Phänomen. Normalerweise sind die Amerikaner strikter als die Europäer.

Doch die Amerikaner sagen, dass es bis zu 4000 m kein Problem sein sollte. Das liegt einfach daran, dass viele Teile von Amerika für Schwangere nicht mehr zu bereisen wären, wenn sie europäischen Empfehlungen folgen würden. Wenn die Schwangere mal höher geht über den Tag, und zum Schlafen wieder runterkommt, sehe ich da keinen Grund zur Sorge. 

Ist anzunehmen, dass ab 2500-3000 m die Sauerstoffversorgung des Kindes problematisch wird?

Thomas Küpper: Wenn es zu einer konkurrierenden Situation kommt, wird es für das Kind kritisch. Das heißt: Wenn die Schwangere in großer Höhe ein bisschen Landschaft genießt, eine kleinere Aktivität macht, ist das okay. Wenn sie in 2000 m Vollgas gibt, kann das schon eine konkurrierende Situation werden. 

Mirjam Schönfeld: Ja ich sehe das sehr ähnlich. Es gibt so einen Pi-mal-Daumen- Wert, dass der Puls bei Schwangeren nicht über 140 gehen soll. Das ist auch eine Empfehlung aus Amerika. Wichtig ist, dass man auf seinen Körper hört, die Warnzeichen nicht ignoriert und nicht darüber hinaus aktiv ist.

Wie ist es im Klettern in der Schwangerschaft? 

Thomas Küpper: Was die Belastung betrifft, ist es fast dasselbe wie im Bergsport. Wir raten dazu, Pressatmung zu vermeiden. Das bedeutet, dass Überhänge nicht so geeignet sind. Spaß und Freude sollten im Vordergrund stehen, und weniger der kompetitive Gedanke. Ab dem 3. oder 4. Monat sollte nicht mehr im Vorstieg geklettert werden.

Mirjam Schönfeld: Wichtig ist auch hier, dass man nicht erst in der Schwangerschaft anfängt zu klettern. Wenn eine Frau schon zehn Jahre klettert, ist das eine ganz andere Sache.

Thomas Küpper: Etwas, das wir oft vergessen, ist das Sichern. Eine Schwangere sollte keine Person sichern, die weitaus schwerer oder größer ist als sie selbst. In Aachen hatten wir mal diesen Fall und die Frau ist wie ein Flummi hochgeflogen, als er ins Seil gegangen ist. Da sollte man eher in einer Gruppe in die Halle gehen und schauen, dass kein unkontrollierter, starker Druck auf den Bauch ausgeübt wird. 

Ist das Klettern in der Schwangerschaft für Anfängerinnen auch mit wenigen Risiken verbunden?

Thomas Küpper: Klettern ist generell mit wenig Risiken verbunden. Im ersten Schwangerschaftsdrittel würde ich auch nichts gegen einen entspannten Schnupperkurs in einer Kletterhalle sagen. Es ist auch niemals mehr ein Mensch so geschützt wie in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Es gibt niemals mehr eine so gute Ritterrüstung wie das Becken der Frau. Wir Sportmediziner müssen auch Freude vermitteln und mutige Entscheidungen treffen. 

Ist beim Bergsport ebenso viel Erfahrung von Vorteil? Zum Beispiel die Erfahrung in der Höhe und mit den eigenen Grenzen der körperlichen Belastbarkeit?

Mirjam Schönfeld: Die Erfahrung insgesamt ist sicherlich von Vorteil. In den Bergen sollte man nicht allein unterwegs sein. Auch unwegsames Gelände ist nicht zu empfehlen. Besser ist es, Routen zu wählen, wo man auch umkehren kann. Wenn man schon Anzeichen von Luftnot oder ähnliches hat, sollte man klar sagen, dass man nicht mitkommt. Wenn der Bauch mal zieht, muss das nicht gleich etwas Schlimmes sein, aber man sollte dann auf jeden Fall langsamer unterwegs sein und gegebenenfalls absteigen. Es ist wichtig, dass man auf den eigenen Körper hört. Man muss sich immer bewusst machen: mache ich mir Vorwürfe, wenn jetzt irgendetwas passiert.

Thomas Küpper: Es gibt ja auch in anderen Sportarten die Spielregel: Wenn es einer Person nicht gut geht, kehrt die komplette Gruppe um. Das sollte sich auch endlich im Bergsport etablieren.  

Mirjam Schönfeld: Ich würde den meisten Leuten unterstellen, dass sie den Umstand bei einer schwangeren Frau akzeptieren können und sagen: „Okay, wir gehen zurück.“ Ich glaube, da ist eine andere Dynamik in der Gruppe.

Thomas Küpper: Männer haben mehr Schiss als die Frauen. 

Mirjam Schönfeld: In der Klinik sind es auch oft die Partner, die dann fragen: „Ach, willst du das echt noch weitermachen?“ und die Schwangere sagt: „Ja ich kenne mich und meinen Körper und das passt schon.“

Thomas Küpper: Aus der Unfallforschung wissen wir ja auch nachweislich, dass Frauen einen besseren Umgang mit Risiko und Risikomanagement haben.

Im Laufe der Schwangerschaft ist es wichtig, den Klettergurt zu wechseln. Wann sollte der Wechsel zum Kombigurt erfolgen?

Thomas Küpper: Wenn der Bauch auffällig größer wird und aus dem Becken heraustritt, sollte der Gurt gewechselt werden. Die Frauen merken selbst, wenn der klassische Gurt irgendwann lästig wird und sie den deutlich weiter stellen müssen. 

Lässt es sich im aktuellen Schwierigkeitsgrad weiterklettern? 

Mann schaut in den Himmel
In seinen diversen Leitungspositionen hat Thomas Küpper immer einen Blick fürs Detail. ©Thomas Küpper

Thomas Küpper: Das hat sich bei dem Kollektiv, das wir hier in Aachen beobachtet haben, nicht gezeigt. Mit dem Verlauf der Schwangerschaft sind die Frauen entspannt 1,5 Stufen unter ihrer eigentlichen Leistungsgrenze geklettert. Wir hatten zwei Schwangere in der Studie, die bis zum 7,5 und 8,5 Monat in der Halle waren und wir hatten keinen einzigen Zwischenfall. Es waren ausschließlich nicht Risikoschwangerschaften. Es ist auch wichtig, dass gute frauenärztliche Beratung erfolgt. 

Mirjam Schönfeld: Der Schwierigkeitsgrad sollte reduziert werden. Aus gynäkologischer Sicht ist noch viel die Angst dabei. Ich denke, es ist verständlich, wenn eine gewisse Sorge da ist, dass der Frau oder dem Kind etwas passiert.

Was empfehlen Sie Schwangeren zur Vorbereitung auf eine Bergtour? Welche Umstände sollten beachtet werden?

Mirjam Schönfeld: In der Schwangerschaft braucht man definitiv mehr Flüssigkeit. Da würde ich nicht riskieren, dehydriert am Berg zu stehen. Im Sommer ist es wichtig, dass man die Sonne mit einkalkuliert – eine Schattentour raussucht, mehrere Pausen einplant und natürlich eine Kopfbedeckung mitnimmt. 

Thomas Küpper: Ein guter Flüssigkeitshaushalt ist für die Durchblutung entscheidend. Der Sauerstoff muss da ankommen, wo er gebraucht wird. Wichtig ist auch, nicht plötzlich viel auf einmal zu trinken, sondern für die ganze Tour genügend Wasser dabei zu haben. Der Mensch ist kein Kamel, das Flüssigkeit speichern kann. Gut ist auch, dass der Mensch in der Höhe, sprich bei höherem Atem-Minuten Volumen, viel ökonomischer ist als sonst. Doch sollte eine Schwangere mindestens zwei Liter nur für sich mitnehmen. Da ist auch die Fairness der Gruppe gefragt, sich die Last aufzuteilen. 

Mirjam Schönfeld: Oder man plant genügend Hütten ein und füllt dort die Flaschen wieder auf.

Welche Erfahrungen haben Sie beim Bergsteigen und Klettern in ihrer eigenen Schwangerschaft gemacht?

Mirjam Schönfeld: Ich hatte immer ein sehr gutes Gefühl in meiner Schwangerschaft und Lust in die Berge zu gehen. Ich war in der 13. Woche tatsächlich auf einer Skitour in Marokko am Toubkal über 4000 m. Die Reise hatte ich schon vor der Schwangerschaft geplant. Da war alles wunderbar und es hat gut funktioniert. Obwohl ich mich beim Hochgehen schon gefragt habe, wo ich hinkönnte, wenn etwas passiert. Eine Woche vor meinem Entbindungstermin bin ich noch in die Münchner Hausberge gegangen, weil es mir körperlich wirklich sehr gut ging. 

Thomas Küpper: Es ist auch die Frage, wo das Bergsteigenund Klettern in der Schwangerschaft stattfindet. Streng genommen gilt das, was wir hier sagen nur für den mitteleuropäischen Alpenraum. Hier ist die Luftrettung an allen Ecken und die medizinische Versorgung auf einem hohen Niveau. Die Aussagen gelten noch nicht mal mehr für die Rocky Mountains. Dort gibt es zwar auch ein hohes medizinisches Niveau, aber die Rettungswege sind zu lang. 

Reicht es, an die Eigenverantwortung der Sportlerinnen zu appellieren? 

Mirjam Schönfeld: Wichtig ist, dass wir da als Gynäkologinnen und Gynäkologen die richtigen Informationen geben können. Vor allem, dass das Thema aktiv angesprochen wird: „Was machen Sie für Sportarten? Müssen wir darüber reden, was sie weitermachen können und was nicht?“ Aber die Entscheidung muss man bei der Schwangeren lassen. 

Thomas Küpper: Eigentlich muss es die Partnerschaft entscheiden. Ein Kind produziert man in der Regel zusammen. Es könnte nämlich sein, dass der Partner viel mehr Angst hat als die Betroffene. 

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Bergfreundin Anna

Mein schönstes Erlebnis war die Gletschertour im Mount Cook Nationalpark in Neuseeland. Sonst freue ich mich immer auf eine warme Hütte nach einer langen Tour!

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