Ist der Clip-Stick eine sinnvolle Ergänzung zum Kletterequipment für den ambitionierten Felskletterer? Oder doch eher was für Hallenartisten, denen die zum Teil spärlichere Absicherung am Fels Muffensausen bereitet?
Zunächst einmal: Was ist denn überhaupt ein Clip-Stick? Klar, der gewiefte Sportkletterer hat’s sofort erkannt, es geht um einen Stab, mit dem Du clippen kannst. Vorzugweise Expressschlingen mit eingelegtem Seil in Bohrhaken. Wahlweise auch nur das Seil in die hängende Exe. Klingt logisch, kannst Du theoretisch aber ja auch mithilfe Deiner Arme. Eine Meinung zu Sinn und Unsinn eines Clip-Sticks:
Eine Frage von Ethik und Moral
Für manch einen Kletterer ist es wohl auch in erster Linie eine ethische Frage einen Clip-Stick zu benutzen oder eben nicht. Dass der findige Alpinist auch in Zukunft nicht mit Clip-Stick im Rucksack die großen Wände besteigen wird und versucht einen „Friend“ in den nächstbesten Riss zu „clipsticken“ leuchtet ein.
Im gemäßigteren Gelände, an den Sportkletterwänden dieser Welt, sieht man jedoch immer häufiger Kletterer, die Gebrauch machen von einem dieser Stäbe. Klar kannst Du natürlich argumentieren, dass draußen am Fels beim Klettern in der freien Natur einfach andere Gefahren auftreten als in der Halle. Ist ja auch korrekt, spricht nichts dagegen. Nur haben Bohrhaken in Klettergärten nichts mit natürlichen Gefahren zu tun, sondern sind meist von sehr erfahrenen Kletterern im Fels platziert worden, um bei eventuellen Stürzen das Verletzungspotential zu minimieren.
Clip-Sticks an der Wand
Nun sind diese Bohrhaken aber nicht für jede Körpergröße und Armlänge gleich gut zu erreichen. Auch sind nicht alle mental gleich stark unterwegs an jeder Wand und in jedem Gestein, wie eventuell der Erschließer einer Linie. So kommt es durchaus vor, dass ein und derselbe Haken je nach Kletterer unterschiedlich schwer zu clippen ist. Ob es sinnvoll ist einen Clip-Stick zu benutzen oder eben nicht, musst Du im Endeffekt mit Dir selbst ausmachen.
Prinzipiell geht es beim Sportklettern aber in erster Linie darum, möglichst schwere Routen, auch am persönlichen Limit oder darüber, zu beklettern und dabei dennoch ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Wenn nun der limitierende Faktor ein auf 5 m Höhe gesetzter erster Haken sein soll, scheint das eher unbefriedigend zu sein. Die Möglichkeit, eine mobile Absicherung in den Fels zu basteln, ist auch nicht in Aussicht. Also schafft der Clip-Stick Abhilfe. Er bringt ein Plus an Sicherheit und rückt den Fokus wieder dahin, wo er beim Sportklettern liegen sollte: dem Genuss an der Bewegung und nicht den potentiellen Knochenbrüchen bei einem Sturz vor der ersten Sicherung.
Selbstverständlich kannst Du Dir den Clip-Stick auch nach oben reichen lassen und das ganze Spiel von vorne beginnen, um Schlüsselstellen, Projekte, etc. auszubouldern. Nur solltest Du daran denken, dass die Tour später ohne Hilfe geklettert wird. Und wenn auch mit Clip-Stick mal gar nichts mehr vorangeht, musst Du Dich eventuell hinterfragen, ob Du nicht doch besser in eine Tour einsteigen möchtest, die Deinem aktuellen Niveau einfach besser entspricht. Einen guten 6er klettern macht auch viel mehr Spaß als einen fiesen 8er zu „clipsticken“!
Welche Stäbe gibt’s?
Es gibt diese Stäbe mittlerweile von verschiedenen Herstellern in verschiedenen Ausführungen. BetaSticks z.B. gibt es im Shop in kurz, mittel und lang. Wobei kurz naturgemäß leichter ist als mittel und mittel wiederum leichter als lang. Was Du Dir natürlich überlegen solltest ist, ob die leichteste Kompaktvariante eine Hilfe sein wird, wenn Du trotz absoluter Überstreckung einen halben Meter unterhalb des ersten Hakens versuchst einzuhängen.
Clip-Stick selber bauen
Prinzipiell lassen sich Clip-Sticks aus allen erdenklichen langen Gegenständen mit ein wenig Kreativität und dem ein oder anderen Zubehör auch selber bauen. Geeignet sind z.B. Besenstiele, besser aber noch längenverstellbare Teleskopstangen aus dem Baumarkt, etc. Nun bist Du doch mal wieder ohne Deine Armverlängerung aus dem Haus und bemerkst am Fels, dass es ganz schön ungemütlich werden könnte bis zur ersten Sicherung. Dein Kopf stellt sich quer, Du willst aber dennoch unbedingt in diese unglaublich schöne Linie einsteigen? Mit ein bisschen Geschick, einem Messer und einem langen Ast lässt sich provisorisch ein Clip-Stick bauen.
Zunächst einmal brauchst Du einen Stock mit passender Länge. In diesen schneidest Du mit einem Messer eine ca. 5-7 cm lange Kerbe, sodass sich eine Expressschlinge fixieren lässt. Nun suchst Du einen weiteren kleinen Ast mit, je nach Karabiner, ungefähr 1-2 cm Länge und spannst ihn zwischen Schnapper und Nase. Jetzt nur noch Seil einlegen, Exe in der Kerbe fixieren und fertig ist der Clip-Stick. Viel Spaß beim Einhängen.
Sollte die erste Exe schon hängen, musst Du nur noch das Seil irgendwie hineinbekommen. Das irgendwie geht wie folgt: Zunächst machst Du zwei Schlaufen in das Seil. Nun machst Du einen einfachen Knoten und schiebst den Stock durch das Auge des Knotens. So erhältst Du eine Art Schleifknoten, der sich bequem lösen lässt, wenn das Seil in der Exe untergebracht ist.
Fazit
Ob nun der professionelle Clip-Stick mit Zahnbürstenfunktion oder die improvisierte selbstgebaute Variante, in puncto Sicherheit am Fels hat der Clip-Stick durchaus seine Daseinsberechtigung. Ein Freifahrschein für Kletterexperimente in Touren weit über Deinem persönlichen Können sollte Dein verlängerter Arm aber keinesfalls werden, dafür sind auch Sportkletterwände nicht geeignet. Ob und in welchem Ausmaß Du einen Clip-Stick im Sportklettern moralisch vertretbar findest, bleibt letztendlich Dir selbst überlassen.
3 Comments on the Article
Gegen Clipsticks hab ich nicht, hab selbst gar eine Panic-Exe dabei und scheue mich nicht sie zu benutzen, Was aber nicht geht sind Leute die mit Clipstick klettern. Gesehen in der Fränkischen in einer Acht. Die Freunde clippten den ersten Haken, dann klettern bis dahin. Dort festgezurrt, den Clipstick ausgefahren und den nächsten Haken geclipt usw. Am Ende konnten sie die Route stundenlang Toprope blockieren. Super Sache also. Keiner kam übrigens die Route auch nur annähernd ohne Seilunterstützung hoch. Das kanns also auch nicht sein. Gruß Jürgen
'@Jürgen: Naja, solange man damit nicht andere Seilschaften stundenlang blockiert, spricht da doch nix dagegen - ist auch nix anderes, als wenn mit jemand ne Tour als Toprope einrichtet, die ich selbst aus welchem Grund auch immer nicht im Vorstieg hoch komme ... soll finde ich jeder für sich entscheiden ob sinnvoll oder nicht. @Bergfreunde: die Beschreibung zu dem Schleifknoten ist finde ich nicht ganz vollständig: einfach so in die Exxe clippen geht normalerweise nicht, da muss man den Knoten schon so um den Ast legen, dass ein Ohr absteht, welches dann von unten um den Schnapper des Karabiners zugezogen werden kann. Keine Ahnung was da in dem 3. Bild passiert, aber das Seil bekommt man so nicht in eine frei hängende Exxe ....
Danke für die Anleitung. Ich werde das auf jeden Fall ausprobieren. Gerade im Frankenjura sind viele Routen sehr schlecht abgesichert. Zum Teil ist aufgrund zu großer Abstände ein Grounder sogar noch nach der zweiten Exe möglich, wenn man keine mobile Sicherung legt, daher versteh ich das geclippe. Es reicht ein unachtsamer Moment und kann Jedem passieren. Gerade während der Corona-Zeit bei vollen Krankenhäusern fand ich es immer wichtig den ersten Haken (meist 4-5 Meter Höhe) einzuhängen um das Risiko zu minimieren. Das ist ein Zeichen von Respekt, nicht von Schwäche. Und dadurch geht auch kein "Spirit" verloren..