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Einführung ins Winterbergsteigen

Inhaltsverzeichnis

Kälte, kurze Tage, die volle Sammlung der alpinen Gefahren. Dazu ein schwerer Rucksack und jede Menge Schinderei. Es gibt bestimmt komfortablere Freizeitbeschäftigungen als Winterbergsteigen. Aber gibt es auch coolere? Ist es nicht der Kontrast zum Alltag, den Alpinisten in den Bergen suchen? Wo könnte er schärfer sein als beim Klettern in einer traumhaft schönen Winterwelt?

Beim Winterbergsteigen erlebte ich immer wieder Momente, die mich tief berührt haben: Abends am Gipfel des Ben Nevis zu stehen und zum Meer blicken zu können beispielsweise, oder das Erreichen des Gipfelgrats der Marmolada nach einer Winterbegehung des „Weg durch den Fisch“. Solche ganz besonderen Erlebnisse mögen selten sein, doch ihr Wert ist für mich groß genug, um immer wieder loszuziehen.

Ein Bergsteiger steht am Rand eines verschneiten Berges mit Blick ins Tal
Am Ausstieg der Route „Jung stirbt, wen die Götter lieben“, Aggenstein Ostgipfel. Foto F. Koch

Was ist Winterbergsteigen

Unter Winterbergsteigen verstehe ich technisch anspruchsvollen Alpinismus bei typisch winterlichen Bedingungen zwischen Spätherbst – sagen wir einmal ab November – und ca. Ende März, Anfang April. Dies ist wohlgemerkt keine allgemeingültige Definition, sondern eine persönliche Einordnung (und passt natürlich nur für die Nordhalbkugel).

Typischerweise fallen darunter Winterbegehungen von Routen, die üblicherweise im Sommer angegangen werden, oder alpine Mixed-Klettereien, die nur im Winter lohnend oder überhaupt machbar sind.

Eisfallklettern zählt für mich dann dazu, wenn die Kletterei in eine größere Unternehmung eingebettet ist und man am Ende des Tages beispielsweise auf einem Gipfel steht. Tourenski (oder Schneeschuhe) kommen bei Bedarf zum Einsatz, klassisches Skitourengehen ist deshalb aber noch lange kein Winterbergsteigen.

Damit es zu keinen Missverständnissen kommt: Anders als für den Begriff „Winterbergsteigen“ gibt es für „Winterbegehungen“ ein klares Kriterium – diese müssen innerhalb des kalendarischen oder auch astronomischen Winters erfolgen. Auf der Nordhalbkugel beginnt dieser mit der Wintersonnwende am 21. oder 22. Dezember und endet am 19. oder 20. März eines jeden Jahres.

Ein Bergsteiger beim aufstieg
Flo Jehle und Korbinian Schmidtner bei einer Winterbegehung der Westlichen Zinne Nordwand. Foto F. Miller

Die Spielplätze selbst definieren

Ja, die Winter in den Alpen schwächeln. Insbesondere in den Nordalpen haben sich die Bedingungen zum Eisfallklettern in den letzten Jahren merklich verschlechtert. Aber ich bin mir sicher: Winterbergsteigen hat Zukunft.

Warum? Weil wir unsere Spielplätze selbst definieren können! Skitouren und Eisfallklettern sind nicht alles. Höher gelegene Nordwände und alpine Grate weisen bei milderem Wetter oft passable Bedingungen für Winterklettereien auf.

Und im Spätherbst, bevor allzu viel Schnee liegt, können felsige Anstiege, z. B. in den Dolomiten, bleibende Eindrücke hinterlassen. Im Sommer beliebte Hochtouren wird man außerhalb der Saison still und einsam erleben.

Ein Kletterer klettert eine Felswand hinauf
Michaela Schuster bei einer Winterbegehung der Großen Zinne. Foto J. Elsener

Winterbergsteigen ist kein Ponyhof

Klar, dass die hier beschriebenen Aktivitäten gewisse Anforderungen stellen: Die Orientierung ist viel anspruchsvoller als im Sommer, hinzu kommt oft Lawinengefahr, die eine überlegte Routenwahl und generell Zurückhaltung erfordert.

Beim Klettern ist die Absicherung bzw. nicht vorhandene Absicherung immer ein großes Thema. Selbst wenn irgendwo Haken im Fels stecken: Unter Schnee und Eis wird man sie kaum finden. Für Eisschrauben taugt das Eis oft nicht und Cams halten eher schlecht in vereisten Rissen.

Die Auflistung der Widrigkeiten ließe sich noch weiterführen, von Interesse dürften aber eher Lösungsansätze sein, sowie konkrete Tipps zum Umgang mit den verbleibenden Problematiken (mehr dazu insbesondere im zweiten Teil).

Kletterer klettert eine verschneite Felswand hoch
Winterbergsteigen in Schottland – gewisse Widrigkeiten gehören dazu. Foto M. Birkmann

Ein großes Thema

Der Anspruch dieses Artikels ist logischerweise nicht, dem Thema Winterbergsteigen in Gänze gerecht zu werden. So werden einige wichtige Aspekte nur angerissen oder ausgeklammert. Zu Themen wie Schnee- und Lawinenkunde oder Sicherungstechnik fürs Eis- und Alpinklettern existieren aber auch jede Menge gute Veröffentlichungen in Form von Lehrbüchern oder Online-Veröffentlichungen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf zwei Artikel hier im Basislager verweisen, die einige wichtige Themen rund ums Eis- und Mixedklettern beinhalten:

  1. PROFI-TIPPS ZUM EIS- UND MIXEDKLETTERN – DIE AUSRÜSTUNG
  2. PROFI-TIPPS ZUM EIS- UND MIXEDKLETTERN: TRICKS UND TECHNIK 

Das Wichtigste zu Beginn

1. Die Hausaufgaben erledigen

Verschafft euch möglichst frühzeitig einen Überblick über die relevanten Themen und erstellt einen Plan, den ihr am besten schriftlich ausarbeitet, was im Sinne einer Vorbereitung zu tun ist:

  • Welche Literatur könnte euch weiterbringen?
  • Welche Touren bzw. Gebiete sind interessant und welche Karten und Führer sind für diese erforderlich?
  • Welche Ausrüstung braucht ihr noch? Was muss am Material gemacht werden, damit es einsatzbereit ist?
  • Gibt es Kurse oder ähnliches, für die ihr euch anmelden solltet? Braucht ihr weitere Unterstützung durch einen Bergführer?

2. Die Basis schaffen

Idealerweise ist bereits ein solides Fundament an Wissen und Können vorhanden, auf dem ihr aufbauen könnt. Folgende Bereiche sind entscheidend (das heißt ihr solltet dort ein solides Niveau haben oder es euch erarbeiten):

  • Orientierung in den winterlichen Bergen
  • Schnee- und Lawinenkunde inkl. guten Kenntnissen in der Verschüttetensuche
  • Alpinklettern
  • Eis- und Mixedklettern an Eisfällen bzw. in speziellen Mixed-Klettergärten
  • Skitouren oder Schneeschuhtouren
  • Hochtouren (sofern die Ziele im vergletscherten Gelände liegen)
  • Biwakieren im winterlichen Hochgebirge (sofern mehrtägige Touren ohne Hütte geplant sind)
Ein Zelt auf einem verschneiten Berg
Nächte in Schnee und Eis – Winterbergsteigen ist komplex. Foto F. Miller

3. Training in den Bergen

Sportklettern, Laufen oder Radfahren sowie gezieltes Kraft- und Ausgleichstraining sind absolut sinnvolle Bausteine des Trainings. Mit Blick aufs Winterbergsteigen ist aber auch wichtig, sich immer wieder realistischen Bedingungen zu stellen – Schnee, Kälte, Wind usw.

Zu Beginn des Winters bin ich zu Trainingszwecken meist mit den Tourenski unterwegs und gehe öfters Drytoolen. Viel zu lange war mein Gedanke: „Wenn du draußen unterwegs bist, musst du alles geben.“ Allerdings: Thema hier ist das Training – es soll dich stärker machen, nicht dich zerstören! Es soll ein gutes Gefühl hinterlassen, nicht den Eindruck, dass du zu schwach bist.

Deshalb folgende Empfehlungen:

  • Bereitet zuhause alles Material fürs Training vor – beispielsweise leichtes Skitourenequipment – so dass es sofort einsatzbereit ist. Es gilt, Hürden zu reduzieren! Und: Ihr solltet eure Ausrüstung wirklich mögen
  • Geht dahin, wo ihr euch wohl fühlt und wo ihr gerne unterwegs seid. Geht mit Leuten, mit denen ihr sowieso gerne zusammen seid.
  • Haltet euch warm bei Pausen, beim Sichern usw.
  • Beim Ausdauertraining nicht zu schnell gehen. Entscheidend ist das Grundlagenausdauertraining (Zone 1) bei dem man ruhig durch die Nase atmen und sich entspannt unterhalten kann.
  • Nach dem Ausdauertraining trockene Kleidung anziehen und für die Rückfahrt heißen Tee und was zu essen bereithalten.
  • Beim Drytooling lieber eine Route weniger oder einen Grad leichter klettern, als sich im ermüdeten Zustand zu verletzen.
Ein Kletterer klettert eine Felswand hoch
Drytooling, Eis- und Mixedklettern – perfektes Training fürs Winterbergsteigen. Foto L. Binder

4. Wertschätzung der Erlebnisse, Geduld, Zurückhaltung und Flexibilität

Für mich haben diese vier Stichpunkte eine große Bedeutung. Mit Motivation, Power und gutem Material kann man in kurzer Zeit weit kommen. Allerdings sollte der Fokus nicht zu sehr auf das erreichen alpinistischer Ziele gerichtet sein, sondern mehr darauf, nach der Tour zufrieden und glücklich zurückzukehren zu können. Aber der Reihe nach…

Wertschätzung der Erlebnisse: Winterbergsteigen verlangt einem pauschal gesprochen mehr ab als Skitourengehen oder Eisklettern. Und natürlich viel mehr als Bergsteigen im Sommer. Die Risiken sind hoch, die Erfolgsquote vergleichsweise niedrig. Nur wer für sich persönlich in den Erlebnissen und Erfahrungen einen großen Wert erkennt kann leisten, was das Winterbergsteigen verlangt.

Geduld: Gemeint sind hier drei verschiedene Bereiche:

  1. Bis zur eigenständigen Umsetzung großer Ziele braucht man ein paar Jahre Erfahrung.
  2. Wenn die Bedingungen nicht passen, sollte man es nicht probieren – und wenn die Bedingungen gut sind, ist man vielleicht selbst nicht bereit. Bis alles zusammenpasst, kann es dauern.
  3. Manche Routen sind nur selten kletterbar – vielleicht nur alle paar Jahre einmal.

Zurückhaltung: Die Ziele des Alpinisten lassen sich nicht mit Zurückhaltung erreichen, oder? Mein größtes Ziel ist jedoch, nicht beim Bergsteigen zu verunglücken und ich weiß, dass ich es nur mit Zurückhaltung erreichen kann.

Flexibilität: Sicher ist, dass sich die Berge nicht nach unseren Wünschen und Möglichkeiten richten. Wir können nur reagieren auf die Bedingungen am Berg – die sich sehr schnell ändern können – und das Beste aus unseren Möglichkeiten machen. Damit dies gelingt, müssen wir breit aufgestellt sein, also nicht nur auf ein spezielles Thema setzen. In Zeiten der Ruhe sollten wir uns gut einarbeiten in Gebiete bzw. Routen, die irgendwann relevant werden könnten.

Zwei Kletterer am Fels
Erstbegehung der Route „Morbus Brexit“, Aggenstein – irgendwann doch am Ziel. Foto F. Miller

Achtung!

Winterbergsteigen ist gefährlich! Alle Anleitungen, Beschreibungen und Empfehlungen in diesem Beitrag erfolgen selbstverständlich nach bestem Wissen und Gewissen. Vieles liegt jedoch im Graubereich zwischen Sicherheit und Effizienz. Manches entspricht wohl nicht den Herstellervorgaben zum Einsatz der Ausrüstung. Jeder Anwender muss für sich entscheiden, welche Techniken er überblicken und verantworten kann. Weder der Autor noch Bergfreunde.de können haftbar gemacht werden für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den Informationen dieses Beitrags resultieren.

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Bergfreund Fritz

Zum Klettern und Bergsteigen kam ich, weil etwas wie eine große Faszination für die steile Welt in mir verankert ist (und durch ein paar Zufälle). Sicher ist es zu viel zu früh für ein Fazit. Aber wenn ich auf meine mittlerweile rund 25 Kletterjahre zurückblicke, denke ich, dass ich den Bergen und Wänden viel zu verdanken habe.

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