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Bandschlingen: Nylon vs. Dyneema

Inhaltsverzeichnis

Wer kennt es nicht: man möchte mal wieder Äpfel mit Birnen gleichsetzen. Und auch dieses Mal wird man schnell feststellen, dass es sich zwar in beiden Fällen um eine Frucht handelt, es aber dennoch den einen oder anderen wesentlichen Unterschied gibt. Ähnlich verhält es sich mit den chemischen Materialien Polyamid (PA) und Polyethylen (PE). Beide kommen im Bergsport zum Einsatz und aus beiden werden Rundschlingen bzw Bandschlingen hergestellt.

Mehrere Bandschlingen
Ein bunter Strauß an Sicherheit

Wir erklären Dir, welche Eigenschaften das jeweilige Material mit sich bringt, worin die entscheidenden Unterschiede liegen und wann Du in der Praxis besser zur Birne greifst, um am Ende nicht doch in den sauren Apfel beißen zu müssen.

Welche Arten von Bandschlingen gibt es?

Die dicken (Nylon)

Da gibt es einmal die breiten, gefühlt schon immer da gewesenen Bandschlingen aus Polyamid, genau genommen Polyamid 6. Erstmals fand dieses im Bereich des Bergsports Anfang der 1940er Jahre Verwendung.

Damals wurden in den USA unter dem heute noch gängigsten Handelsnamen Nylon die ersten dynamischen Kletterseile auf den Markt gebracht. Aus dem gleichen Material werden bis heute Bandschlingen und Reepschnüre gefertigt.

Nylon-Schlingen gibt es am Meter, vernäht zur Rundschlinge oder als Express-Schlinge. Die Anzahl der Linien in der Mitte gibt die Belastbarkeit an. 1 Strich steht für 5 kN.

Für Leute, die am Berg gerne Glasflaschen dabei haben
Für Leute, die am Berg gerne Glasflaschen dabei haben

Die dünnen (Dyneema)

Dann gibt es aber auch noch diese neuen, hauchdünnen Schlingen. Das sind die, die Du immer ganz vorsichtig und behutsam belastest, weil der Kopf Dir sagt: „ganz schön mutig müssen wir heute wieder sein, wenn wir unser Leben an dieses dünne Ding hängen“. Sie werden aus Polyethylen gefertigt, sie sind seit Ende der 1990er zu kaufen und werden meist unter dem Handelsnamen Dyneema als Schlingen sowie Reepschnüre vertrieben.

Polyethylen-Fasern sind dabei so glatt, dass es nicht möglich ist, sie einzufärben oder zu knoten. Daher erkennst Du sie ganz einfach an ihrem strahlenden Weiß. Sie sind zudem immer vernäht und damit als Rundschlingen oder Express-Schlingen zu haben. Viele haben inzwischen allerdings einen farbigen Rand (die sogenannten „Schussfäden“). Hierbei handelt es sich dann um einen geringen Anteil nichttragender Nylon-Fäden.

Polyamid vs. Polyethylen

Nun gibt es Bandschlingen in allen erdenklichen Variationen. Kurze Schlingen, lange Schlingen, dicke Schlingen, dünne Schlingen, die Gelben, die Schwarzen, die Grünen, die Roten. Vorweg schon mal die wichtigste Gemeinsamkeit – zugleich eine beruhigende Eigenschaft – die alle für den Bergsport hergestellten, vernähten Textilien besitzen: Sie erfüllen die europäische Norm (EN) 566, welche eine Mindestbruchkraft von 22 KN vorschreibt. Dies gilt sowohl für Expressschlingen, als auch für Rundschlingen – egal ob Dyneema oder Nylon.

Das bedeutet für die Praxis: beide Materialien können für Deine nächste Klettertour ruhigen Gewissens mit ins Gepäck. Eine geeignete und mit Sicherheit genormte Auswahl findest Du hier. Und es macht durchaus Sinn beide dabei zu haben. Warum? Das erzählen wir Dir jetzt:

Polyamid – der alte Bekannte

Polyamid ist im Vergleich zu Polyethylen schwerer, hat eine geringere Zug- und Schnittfestigkeit aufzuweisen und nimmt Nässe auf. Hört sich erst einmal nicht unbedingt nach einer Kaufempfehlung an. Dennoch hat Polyamid auch Eigenschaften, die es für Dich durchaus interessant werden lässt.

Polyamid ist elastischer als Polyethylen und kann dadurch mehr Energie aufnehmen. Schlingen aus Polyamid sind zudem kostengünstiger als Dyneema-Schlingen und bieten den eingangs erwähnten Vorteil, breiter zu sein. Vorteil deshalb, da die Polyamid-Schlinge, am Standplatz eingesetzt, Deinem an allen erdenklichen lebenserhaltenden Maßnahmen arbeitendem Gehirn in schwindelerregender Höhe ein Plus an Sicherheit suggerieren kann. Ein nicht zu unterschätzender Faktor in ausgesetzten Mehrseillängen-Touren.

PETZL St Anneau 12 mm Dyneema - Bandschlinge
PETZL-St Anneau 12 mm Dyneema – Bandschlinge

+ Polyamid ist elastischer und nimmt somit mehr Energie auf
+ ist kostengünstiger
+ ist breiter und kann dadurch hilfreich für die Psyche sein
+ gibt es in ganz vielen Farben, was die Logistik am Standplatz erleichtern kann

– ist etwas höher im Gewicht
– Zug- und Schnittfestigkeit liegen etwas niedriger
– nimmt mehr Nässe auf

Polyethylen – dein neuer bester Freund

Gleichzeitig stellt die „Dicke“ der Polyamid-Schlinge in anderen Situationen auch einen ernsthaften Nachteil dar. So zum Beispiel, wenn Du in Deiner Tour mit zitternden Beinen vier Meter über dem letzten Haken die Sanduhr Deines Lebens entdeckst, sie aber nicht fädeln kannst, weil Deine letzte verbleibende Schlinge zu breit ist, um sie durch den schmalen Spalt zu fummeln.

Hierfür eignen sich die dünnen Dyneema-Schlingen hervorragend. Obendrein besitzen Schlingen aus Polyethylen trotz des geringeren Durchschnitts eine sechs- bis siebenmal höhere Kantenstabilität als das Pendant aus Polyamid (vgl. Bergundsteigen 3/2012). Gerade die Kantenstabilität (auch Schnittfestigkeit) ist beim Legen von Sanduhr- oder Köpflschlingen ein wichtiger Aspekt, weshalb Polyethylen in diesem Anwendungsbereich Polyamid vorzuziehen ist.

Ocun - O-Sling DYN 11 mm
Ocun – O-Sling DYN 11 mm

Polyethylen ist ausschließlich in vernähter Form zu kaufen,  da ein Knoten wegen ihrer rutschigen Oberfläche nicht halten würde. Ebenso musst Du dir keine Sorgen machen, dass sich die Bruchlast Deiner Dyneema-Schlinge bei einem möglichen „Laufen“ des Knotens aufgrund von Hitze und des geringen Schmelzwertes von Polyethylen wesentlich verringert.

Bei den dünnen Polyethylen-Bandschlingen (6-8 mm) sollte man ein besonderes Auge auf den Alterungsprozess haben. Durch das niedrige Gewicht und ihren geringen Durchmesser altern sie schneller und verlieren früher und schneller an Bruchlast als ihre breiteren „Freunde“ oder Bandschlingen aus anderen Materialien.

Versuche haben gezeigt, dass bereits nach 3-5 Jahren die Bruchlastwerte auf 13-15kN gesunken waren (Bergundsteigen 3/2014). Wenn dann noch ein Knoten obendrauf kommt (reduziert die Bruchlast um 60%), sinkt der Bruchlastwert in einen grenzwertigen Bereich.

Man kann die rutschige Eigenschaft von Dyneema aber auch nutzen, um durch richtiges Knoten eine vernähte Dyneemaschlinge zu einem Stoßdämpfer umzufunktionieren. Das ist allerdings eher was für Spezialisten und sollte entsprechend auch diesen überlassen bleiben. Denn auch hier gilt die Faustformel, dass ein Knoten die Bruchlast der Schlinge halbiert.

+ hat eine höhere Kantenstabilität
+ passt auch in kleine/schmale Sanduhren (wenn man das will)
+ nimmt weniger Wasser auf, was fürs Eisklettern interessant ist
+ ist sehr leicht

– Schnellere Alterung und ein Nachlassen der Bruchlastwerte
– gibt es nur vorgefertigt als vernähte Rundschlinge
– geringerer Schmelzwert

Das Kollektiv

Nun zum Kollektiv: Bandschlingen gibt es auch als Mischgewebe, welches Polyamid und Polyethylen miteinander verbindet. Sie sind sozusagen die Allrounder unter den Schlingen und eignen sich für alle besprochenen Anwendungsbereiche. Inklusive ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile.

So zum Beispiel die etablierten Edelrid Tech Web Schlingen. Bei diesen besteht der Kern aus hochfestem Dyneema, wodurch sich ihr Gewicht auf ein Minimum reduziert. Der Mantel hingegen besteht aus Polyamid und schützt den Kern vor vorzeitigem Abrieb, erhöht die Griffigkeit und lässt sich gleichzeitig Knoten!

Knoten, Wind und Wetter

Zuletzt noch zwei Hinweise, die Du im Hinterkopf behalten solltest: Knoten können die Festigkeit von Schlingen um bis zu 60% reduzieren. Dies gilt sowohl für Polyethylen, als auch für Polyamid.

Problematisch für beide Materialien, bzw. generell für textile Produkte, sind dauerhafte Installationen und damit einhergehende witterungsbedingte (UV-Strahlung, Nässe), aber auch dem häufigen Gebrauch (Abrieb, Anzahl der Stürze) geschuldete Verschleißerscheinungen, wobei hier Polyamid etwas beständiger ist als Polyethylen. Wir empfehlen Dir daher Fix-Exen, fixe Sanduhrschlingen, usw. mit größter Vorsicht zu genießen und vor Gebrauch genauestens unter die Lupe zu nehmen. Im Zweifelsfall gilt wie immer „saftey first“, Deine Gesundheit und Dein Kletterpartner werden es Dir danken.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass sowohl Polyamid als auch Polyethylen, genau wie Apfel und Birne, ihre Daseinsberechtigung haben. In der Kombination sind sie nicht nur geschmacklich wertvolle Begleiter bei Deiner nächsten Tour, sondern leisten Dir richtig eingesetzt treue Dienste in Sachen Sicherheit am Fels.

Darüber hinaus sei allen Kletterern die DAV-Panorama (5/2014) sowie ein Beitrag von Chris Semmel in der Bergundsteigen (3/2012) ans Herz gelegt. Hier wird ausführlich zu den beschriebenen Materialien Stellung bezogen.

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Bergfreund Florian K.

2 Comments on the Article

  1. Christoph 20. April 2018 18:23 Uhr

    Interessanter Artikel, aber mich würde interessieren wie ich da jetzt die Bandschlingen einordnen soll bei denen als Material Polyesther angegeben wird..!?

  2. Ralf 7. Mai 2021 04:32 Uhr

    Ich finde die Gegenüberstellung gut. Mir fehlt jedoch der Pluspunkt höhere Dehnung bei Polyamid. Zum Beispiel ist die laut den Edelrid-Versuchen bei 21-30% während Dyneema nur 3-8% aufweist. Das hat nämlich Auswirkung aus den Einsatzzweck. Höhere Dehnung sind für dynamische Anwendungen unter Sicherheitsaspekten besser. Ganz simpel ausgedrückt, Dyneema ist das Carbon und bricht sofort, und Polyamid ist das Alu, welches sich erstmal verbiegt. Daher werden Kletterseile meines Erachtens auch nicht aus Dyneema hergestellt. Dyneema eignet sich für statische Seile, also sehe ich die eher für Standplätzen etc. geeignet, aber z.B. nicht für Expressschlingen (wobei hier die Dehnung evtl. vom Kletterseil selbst aufgenommen wird).

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