Shop

Basislager

  • Blog
  • Shop

Alpine Gefahren und wie man sie bestmöglich umgeht

Inhaltsverzeichnis

Theoretisch ist man ständig und überall alpinen Gefahren ausgeliefert.
Tendenziell lauern überall alpine Gefahren auf einen. Davon muss man sich allerdings nicht entmutigen lassen.

In den Bergen gibt es fast nichts, was nicht zur Gefahrenquelle werden kann. Der rutschige und lockere Untergrund, das falsche Schuhwerk, die hinterm Berg versteckt heraufziehenden Wolken oder die sich im Geröll verlierende Wegspur. Vor kurzem wurden sogar Kühe als alpine Gefahr entdeckt – es hatte eine Reihe kurioser Kuhattacken gegeben, die Zweifel an der unerschütterlichen Harmlosigkeit des Wiederkäuers weckten. Doch alles in allem dürfte sich das Risiko vom wahnsinnig gewordenen Alpenrind gehörnt zu werden in Grenzen halten. Schauen wir stattdessen auf die „klassischen“, regelmäßig auftretenden Gefahren der Berge.

Der Berg und seine Umwelt

Früher galt schon die bloße Nähe eines Bergs als gefährlich. Neben Lawinen und Eis waren dort Drachen und böse Geister zu fürchten. Obwohl die übernatürlichen Bedrohungen heute nicht mehr allzu bedeutend sind, haben die Berge noch immer einiges an Gefahren zu bieten.

Gelände

Hohe Wände, schmale Grate und Felsbänder, auf denen sich der Weg entlangschlängelt. Der Absturz aus eisigen Höhen dürfte spätestens seit dem Matterhorn-Erstbesteigungsdrama die sinnbildliche Berggefahr Nummer 1 sein. Und in der Tat, wo es hoch hinaus geht, ergeben sich viele Möglichkeiten, tief zu fallen. Dafür muss es gar nicht mal dramatisch steil zugehen, denn auf hart gefrorenem Gletschereis reicht schon ein geringes Gefälle aus, um im Falle eines Falles eine nicht mehr zu bremsende Fahrt aufzunehmen.

Gefahrenvermeidung: Die Tour passend zum Können planen, und im Absturzgelände stets konzentriert bleiben. Wenn gesichert werden soll, müssen die entsprechenden Handgriffe und der Umgang mit dem Material wirklich „sitzen“. Ansonsten ist umkehren die bessere Alternative.

Steine

Verwitterung, Erosion und Permafrost bestimmen die Stabilität der Felsen und Berge. Überall dort, wo der steinerne Zusammenhalt bröckelt, lösen sich Steine, Blöcke oder manchmal ganze Felsstrukturen. In ersterem Fall spricht man von Steinschlag, bei letzterem von einem Felssturz. Ein Felssturz von großem Ausmaß wird Bergsturz genannt. In solchen Fällen nützt natürlich auch der Steinschlaghelm nichts mehr. Doch das Risiko, solch große Gesteinsmassen abzubekommen, ist eher gering.

Ein spezifischer Helm sollte für Steinschlaggefahren getragen werden.
Vor losen Steinen kann ein Steinschlaghelm Schutz bieten.

In den meisten Alpenregionen gibt es ein geologisches Monitoring, durch welches viele Fels- und Bergstürze vorhergesagt und entsprechende Bereiche abgesperrt werden. Eine Garantie gegen solche Naturgewalten gibt es dennoch nicht.

Gefahrenvermeidung: Gegen Verletzungen durch kleine Geschosse und auch gegen schmerzhafte Kopfstöße beim Klettern hilft das Tragen eines Steinschlaghelms. Zusätzlich sollte man in steinschlaggefährdetem Gelände stets wachsam und reaktionsbereit sein. Wenn Steine geflogen kommen, begibt man sich so schnell und so nah wie möglich an den Hang bzw. die Felswand (möglichst unter einen Vorsprung, Gesicht zum Hang gewendet) und schützt den Kopf am besten mit dem Rucksack, notfalls mit den Armen.

Beim Klettern kommt das Risiko von Griff- und Trittausbruch sowie des Ausbruchs von (Zwischen)Sicherungen hinzu. Hier schützt man sich am besten, indem man den Fels durch abklopfen auf Festigkeit prüft. Ein sattes, leises Geräusch weist auf Festigkeit hin. Ein hallender, hohler und lauter Klang mahnt hingegen zur Vorsicht.

Eis

Auch Eis kommt gerne mal von oben angeflogen. Wanderer betrifft das kaum, Hochtourengeher aber durchaus. Hochtourengeher passieren an den großen Bergen öfter Gletscherbüche, Eisbalkone oder gar Hängegletscher. Der Grad des Risikos hängt hauptsächlich von der Temperatur und der Stabilität der Eisformation ab. Grundsätzlich gilt: je fester das Eis gefroren ist, desto geringer ist die Gefahr, dass sich etwas löst.

Die Gefahrenvermeidung funktioniert mehr oder weniger gleich wie bei den fliegenden Steinen. Allerdings ist der Zeit- und Planungsfaktor hier noch wichtiger.  Eisschlaggefährdete Stellen sollte man möglichst früh am Tag hinter sich gebracht haben.

Die Lawinengefahr muss von Winter-Bergspotlern zusätzlich noch berücksichtigt werden.
Für Winter-Bergsportler stellen Lawinen eine weitere Gefahr dar.

Schnee

Schneemassen als Gefahrenquelle betreffen vor allem Skitourengeher, Schneeschuhgeher, Freerider und andere Winter-Bergsportler. Hier gilt es, sich mit dem Lawinenlagebericht auseinanderzusetzen und sich mit der Materie theoretisch und praktisch vertraut und in der Sache fit zu machen. Ein Anfang dafür kann beispielsweise der Basislager-Artikel zum Thema Skitourenplanung sein.

Abgeschiedenheit – Infrastruktur – Versorgung

Trotz dichter Erschließung der Alpen findet man sich beim Bergwandern und -steigen gelegentlich in Bereichen wieder, in denen der nächste Latte Macchiato weit weg ist. Um stets genügend Energie für alle Herausforderungen zu haben, gehört ausreichend Treibstoff in Form von Proviant in den Rucksack. Zudem kann oberhalb der Schneegrenze auch das Wasser sehr knapp werden.

Gefahrenvermeidung: Mit vorausschauender, zurückhaltender und, wenn möglich, flexibler Tourenplanung lassen sich die allermeisten Notlagen von vornherein vermeiden.

Höhensonne

Nicht nur die stärkere UV-Strahlung, sondern auch die Hitze gehört zu den sonnenbedingten Risikofaktoren im Gebirge. Die aggressive Strahlung wird in der Höhe aufgrund der geringeren Atmosphärendichte weniger reflektiert, absorbiert und kommt stattdessen direkt auf der menschlichen Haut an. Die Hitze wird in der alpinen Höhe aufgrund der trockenen Luft und der oft anstrengenden Bewegungen viel schneller als im Tal zur Belastung. Dazu kann das grelle und vom Schnee extrem stark reflektierte Sonnenlicht die Augen stark belasten und zu Kopfschmerzen oder gar Schneeblindheit führen.

Gefahrenvermeidung: Die ziemlich einfachen und effizienten Schutzmaßnahmen dürften allgemein bekannt sein: einen gut sitzenden Sonnenhut tragen, eine gute Sonnencreme benutzen und eine gute Sonnen- bzw. Gletscherbrille auf der Nase. Trinkt man dann noch regelmäßig, vor dem großen Durstgefühl in kleinen Schlückchen ausreichend Wasser, sollte man mit der Höhensonne keine Probleme bekommen.

Luftdruck – Sauerstoffgehalt

Steigt der Mensch in die Höhe, machen sich diverse vorübergehende körperliche Veränderungen bemerkbar. Je nach Aufstiegshöhe und -geschwindigkeit sind diese Veränderungen mehr oder weniger intensiv und unangenehm. Ab etwa 2000m Höhe bemerken die meisten Menschen Unterschiede zum Befinden in Meereshöhe. Schnelle Müdigkeitserscheinungen, Kopfschmerzen und leichte Schwindelgefühle können sich einstellen.

Wasser kann ein paar der alpinen Gefahren entgegen wirken.
Zudem muss auf eine ausreichende Wasserversorgung in der Höhe geachtet werden.

Steigt man zu schnell zu hoch, kann auch die lebensbedrohliche Höhenkrankheit auftreten. Deren Symptome resultieren aus der geringeren Sauerstoffmenge, die der Körper jetzt noch aus der Luft ziehen kann. Der Sauerstoffanteil ist zwar in jeder Höhe der Gleiche, doch mit zunehmender Höhe und „dünnerer“ Luft gibt es weniger verfügbare Luftmoleküle und damit auch weniger Sauerstoffmoleküle.

Die Gefahrenvermeidung ist auch hier ganz einfach und besteht darin, dem Körper genügend Zeit zu geben. Er kann sich nämlich problemlos auf das verringerte Sauerstoffangebot einstellen, indem er vermehrt rote Blutkörperchen produziert. Dieser Prozess dauert je nach Höhe und Aufstiegsgeschwindigkeit einige Stunden bis Tage (oder auch Wochen, wenn es auf die richtig großen Berge der Welt geht). Während der Umstellung ist der Körper weniger belastbar und hat einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf, sodass auf reichlich Wasser- und Mineralstoffzufuhr zu achten ist.

In den Alpen kann man die höchsten Gipfel nach ein bis zwei Akklimatisierungstouren auf kleinere Berge von 2500 – 3500m Höhe oder nach einigen Tagen Aufenthalt in 2000m Höhe oder mehr ansteuern. Es gibt zwar auch den an manchen Viertausendern durchaus funktionierenden, „Trick“ so schnell auf- und abzusteigen, dass der Körper die Höhenänderung „gar nicht mitbekommt“, doch das ist eine ziemlich belastende und auch nicht ganz ungefährliche Strategie. Man sollte hier besser nicht irgendwo hoch oben „steckenbleiben“ …

Wetter

In der alpinen Region verändert sich das Wetter schnell und kann auch durchaus sehr heftig ausfallen.
Ist das Wetter noch schön, kann es sich sprichwörtlich in Windeseile verändern.

Je höher es hinaus geht, desto stärker ist man dem Wind und den Wetterelementen ausgesetzt. Das liegt vor allem daran, dass der Wind mit zunehmender Höhe auf weniger Reibungswiderstand und Hindernisse durch den Erdboden und das Gelände trifft. Auch andere Wetterelemente wie  Niederschlag und Temperatur schlagen dort heftiger aus, da die Berge eine Barriere bilden an welcher sich die Wolken stauen, auftürmen und abregnen. Deshalb gehen in den Bergen Wetterumschwünge und Gewitter meist schneller und heftiger vonstatten als im Flachland.

Gefahrenvermeidung: Auch hier ist es kein großes Geheimnis, wie man sich am besten schützt. Zunächst holt man sich möglichst genaue Wetterprognosen ein, um daran die (eher vorsichtige/defensive) Tourenplanung auszurichten. Während der Tour beobachtet man möglichst fortlaufend die Wetterentwicklung und gleicht sie mit der Prognose ab. Darüber hinaus hat man am Berg auch bei schönstem Sommerwetter immer eine Isolationsjacke bzw. einen wärmeisolierenden Pulli und eine Regenjacke/Hardshelljacke dabei.

Die komplexeste Gefahr: der Mensch

Achtung, jetzt wird’s philosophisch: der Mensch ist auch am Berg ein komplexes Wesen mit sehr vielen Verhaltensoptionen und Möglichkeiten, Fehler zu machen. Außerdem neigt der Mensch zur Unvernunft und handelt aus extremen inneren und äußeren Zuständen heraus: von hundemüde bis hellwach, von angenervt bis euphorisch, von resigniert bis inspiriert, von panisch bis tollkühn. All diese Zustände können die Gefährdung sowohl erhöhen als auch verringern – je nachdem, ob sie zur rechtzeitigen Verkürzung oder zum Abbruch der Tour führen, oder zu riskanten Aktionen verleiten.

Eine tolle Fitness kann zum Beispiel das Risiko verringern, wenn man schneller und sicherer unterwegs ist. Gleichzeitig kann sie aber auch die Gefahr erhöhen, indem man sich durch sie zu viel vornimmt.

Körperliche Verfassung 

Achtet man auf innere und äußere Anzeichen, kann das Gefahrenrisiko minimiert werden.
Um Gefahren rechtzeitig zu erkennen, sollte man achtsam gegenüber sich selbst und seiner Umwelt sein.

Wenn keine Möglichkeit zur Umkehr besteht, oder man sich hoch oben an einem anspruchsvollen Berg befindet, wird die (vorschnelle) Ermüdung zum größten Risikofaktor. Das subjektive Müdigkeitsgefühl kann manchmal ganz schön täuschen, weshalb die äußeren Anzeichen wahrgenommen werden sollten. Langsamere Reaktionen, eine nachlassende Konzentration und Koordination sind verlässliche Marker für körperliche Ermüdung.

Je geringer die körperliche Fitness ist, desto schneller setzt die Ermüdung ein. Klingt trivial, ist aber in der Praxis gar nicht so leicht zu handhaben, denn man muss den eigenen Körper recht gut kennen, um das eigene Leistungsvermögen mit den Zahlen und Daten einer geplanten Bergtour abgleichen zu können. Gelingt dieser Abgleich, hat man eine realistische Selbsteinschätzung bewiesen und wird sich auf der Bergtour weder unter- noch überfordert fühlen.

Normalerweise benötigt man Erfahrung (inklusive einiger Touren-Fehlschläge), um zu einer realistischen Selbsteinschätzung zu kommen. Die wachsende Erfahrung geht im Idealfall mit wachsender Fitness durch Training und wachsendem technischen Können (bessere Steig- und Klettertechnik, effizienterer Umgang mit dem Material, usw.) einher.

Das körperliche Leistungsvermögen wird von sehr vielen physischen und psychischen, äußeren und inneren Faktoren wie Orientierungsfähigkeit, Ausrüstung oder auch der Taktik beeinflusst. Je mehr man von diesen Faktoren kennt, bewusst einbezieht und durch Training positiv beeinflusst, desto geringer ist das Risiko bei einer geplanten Tour.

Noch komplexer wird es, wenn mehrere Menschen gemeinsam unterwegs sind. Dann gewinnt der psychologische Faktor an Bedeutung, und die Gruppendynamik treibt ihre bunten Blüten.

Ausrüstung

Eine weitere häufige Gefahrenquelle sind Anwendungsfehler bei der alpinen Ausrüstung.
Anwendungsfehler bei der alpinen Ausrüstung sind häufige Gefahrenquellen, die umgangen werden können.

Je anspruchsvoller die Bergtouren, desto mehr Gefahrenquellen gibt es, und desto mehr wird die Ausrüstung zum Risikofaktor. Pickel, Steigeisen, Seil, Karabiner und Co. bieten unendliche Möglichkeiten, sich durch Anwendungsfehler in Teufels Küche zu bringen. Welch absurde Pannen und Unfälle dabei möglich sind, klärt seit vielen Jahren die Buchreihe „Sicherheit und Risiko in Fels und Eis“ von Pit Schubert auf.

Gibt es subjektive und objektive Gefahren?

Das klassische Darstellungsschema der Gefahren am Berg trifft eine Unterscheidung zwischen subjektiven und objektiven Gefahren. Als subjektive Gefahren gelten jene, die „von innen kommen“, also aus dem Menschen heraus entstehen. Als objektive Gefahren gelten jene, die „von außen kommen“, also „vom Gebirge ausgehen“. Diese Unterscheidung suggeriert, dass nur ein Teil der Gefahren beeinflusst werden kann, während der Rest der objektiven Gefahren „nicht beeinflussbar“ und demnach als „Restrisiko“ hinzunehmen ist.

Mittlerweile gilt jedoch eher der Standpunkt, dass es keine objektiven Gefahren gibt, da sämtliche Gefahren überhaupt erst durch die subjektiven Entscheidungen entstehen. Auch die Gefahr von Steinschlag und Lawinen entsteht letztendlich erst durch die subjektive Entscheidung, die Bergtour anzutreten. Mit dieser Entscheidung begibt man sich immer bereitwillig ein Stück weit in Gefahr – so ähnlich wie man sich bereitwillig in eine gewisse Gefahr begibt; zum Beispiel wenn man in ein Auto steigt.

Fazit

Ja, es „lauern“ viele Gefahren im Gebirge, soweit die schlechte Nachricht. Doch die Gute folgt sogleich: die allermeisten dieser Gefahren lassen sich auf erfreulich einfache Weise eliminieren bzw. minimieren. Eine den Voraussetzungen der Tourenteilnehmer und der zu erwartenden Wetterlage angepasste Tourenplanung ist hier schon mehr als die halbe Miete! Und  je mehr Touren du vorsichtig angehst, desto mehr Erfahrung gewinnst du – und Erfahrung ist eine der wertvollsten Ressourcen am Berg überhaupt. Aus ihr kann ein Gefühl für den Berg („Mountain Sense“) entstehen, „eine Art sechster Sinn, der als Radar arbeitet, um alpine Gefahren zu erkennen. Du entwickelst dieses Gefühl durch viel Erfahrung, und die Art und Weise, wie du deine Erfahrungen reflektierst.“ In diesem Sinne passt auf euch auf und habt eine tolle Bergerfahrung!

Teile den Artikel mit anderen Bergfreunden

Bergfreund Stephan

„Flat is boring“, dachte ich mir als Kind des Flachlands immer. Bergsport war die Lösung des Problems. Aber nicht aller Probleme, wie ich beim Durchwursteln der Disziplinen von Bouldern bis Hochtouren herausfand. „Egal“, dachte ich mir und fühle mich heute bei alpinen Touren mit leichtem Gepäck sauwohl.

Write a Reply or Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Entdecke die passenden Produkte im Bergfreunde.de Shop

Diese Artikel könnten dir auch gefallen